Am Abend des 20.Jänner werden wir also das Ergebnis der Volksbefragung haben. Und die Debatte geht in die nächste Runde. Denn nach wie vor weiß niemand so recht, was die Frage eigentlich bedeuten soll. Es gibt vage Konzepte der ÖVP für eine Reform des Wehrpflichtigenheeres und ebenso vage Konzepte für Berufsheer und Sozialjahr der SPÖ. Egal, wie das Ergebnis ist, keines der beiden Konzepte wird dann Realität werden, denn danach müssen sich erst SPÖ und ÖVP darauf einigen, was umgesetzt werden soll, von dem man auch sagen kann, es wäre gemäß dem Ergebnis der Volksbefragung. Denkbar ist auch, daß erst recht ein Kompromiß realisiert wird, der so oder so interpretierbar ist.
Da der Trend hin zu einem voll ausgebauten Berufsheer aufgrund der EU-Zusammenhänge auf lange Frist nicht ignorierbar ist, wird sich dieses kaum vermeiden lassen. Die Sinnhaftigkeit, dann noch zusätzlich jährlich 22.000 Männer einzuberufen, um sie sinnlose Tätigkeiten verrichten zu lassen, wird höchstens noch als Entlastung des Arbeitsmarkts und als rechtliche Grundlage für die Zivildienstpflicht vorhanden sein, sonst aber kaum. Ob das aber ausreicht, diese Zusatzkosten zu legitimieren, ist mehr als fraglich.
Umgekehrt wird ein völliger Verzicht auf die Wehrpflicht (selbst ohne die Zivildienstproblematik) auch nicht im Interesse des Staates sein – schließlich geht das Bundesheer von einer theoretischen Gesamtmobilisierungsstärke von einer Million Mann aus, das sind alle Männer im wehrpflichtigen Alter, die nicht zivildienstpflichtig sind und zumindest teilweise wehrtauglich. Dazu kommt eine mittlerweile auch recht ansehnliche Zahl an Zivildienstpflichtigen, die zu einem außerordentlichen Dienst auch im Rahmen der „Umfassenden Landesverteidigung“ herangezogen werden können. In der augenblicklichen politischen Situation erscheint die Möglichkeit einer solchen Mobilmachung zwar völlig abwegig, aber letztlich kann sich eben diese Situation sehr schnell ändern. Will sich der Staat wirklich diese Reserve für Kriegs-, aber auch Bürgerkriegs- und sonstige Notstandssituationen nehmen lassen?
Dazu kommt, daß dieser Regierung vielleicht nur mehr wenig Zeit bleibt, eine Reform umzusetzen – die ja auch im Falle einer Entscheidung für die Wehrpflicht passieren soll. Spätestens im Herbst wird gewählt, wie die Koalition danach aussehen wird, kann jetzt noch niemand sagen. Würde Schwarzblau bei entsprechendem Ausgang der Volksbefragung wirklich die Wehrpflicht abschaffen? Oder Rotgrün im umgekehrten Fall die Wehrpflicht beibehalten? Und selbst bei einer großen Koalition würde sich bei einem Votum für die Abschaffung der Wehrpflicht so leicht nicht die notwendige Verfassungsmehrheit im Nationalrat finden lassen.
Eine österreichische Lösung?
Kann es nicht sein, daß relativ bald einfach die Wehrpflicht ausgesetzt, also keine Zwangseinberufungen mehr passieren, und stattdessen vielleicht eine Art Freiwilligen-Grundwehrdienst eingeführt wird? Dies könnte man nämlich bei jedem Ergebnis der Volksbefragung als Durchsetzung des Volkswillen darstellen – eine österreichische Lösung eben. Der Verdacht, daß irgendein windiger Kompromiß herauskommen soll, wird durch die Tatsache, daß man statt einer Volksabstimmung mit einem eindeutig formulierten Gesetzesvorschlag eine nicht bindende Volksbefragung angesetzt hat, auch nicht gerade entkräftet.
Was wird uns das Ergebnis aber über die Tendenzen in der österreichischen Bevölkerung über das Thema sagen? Auch nichts. Die Stimmen gegen die Wehrpflicht kann man kaum als Votum für ein Berufsheer zu werten, aber als a) gegen die Militarisierung der Gesellschaft oder b) gegen Zwangsdienste im Allgemeinen oder c) als Abwehr einer denkbaren Wehrpflicht für Frauen oder eben d) generell gegen das Bundesheer gerichtet interpretieren – je nach Geschmack; von jenen Stimmen, denen es darum geht, ein Votum für die SPÖ oder auch nur Norbert Darabos als Verteidigungsminister abzugeben, gar nicht zu reden. Ebenso können die Stimmen für die Wehrpflicht genauso wahlweise als a) gegen eine Bürgerkriegs- und NATO-Armee oder b) ebenso generell gegen das Bundesheer gerichtet als auch c) als Ausdruck des autoritären Charakters, der immer noch möchte, daß die „jungen Burschen parieren lernen“, oder gar d) als Votum gegen die von Strache befürchtete „Migrantenarmee“ interpretiert werden. Genauso ist hier eine parteipolitische Interpretation möglich, zum Beispiel als Stimme für eine Neuauflage von Schwarzblau.
Natürlich könnte es aber auch passieren, daß die Beteiligung an der Volksbefragung derart gering und die Zahl der ungültigen Stimmen so hoch wird, daß die Glaubwürdigkeit des Votums auch in der breiten Öffentlichkeit einfach nicht mehr gegeben ist. Dies ließe aber ebenso ein breites Spektrum an Erklärungen zu, denn diese Enthaltungen könnten sowohl als a) generelle Ablehnung des Bundesheeres als auch b) die Kritik an der Verknüpfung von Wehrverfassung und Sozialstaat sowie c) der völligen Unklarheit über die aus dem Votum sich ergeben könnenden Konsequenzen interpretiert werden. In diesem Fall würde also die Politik erst recht freie Hand haben, wie sie die Zukunft des Militärs in Österreich gestalten möchte.
Die Wahrscheinlichkeit also, daß die erste bundesweite Volksbefragung in unseren schönen Demokratie eher ein Hornberger Schießen wird, ist nicht gerade gering. Ein Gutes aber hat diese Befragung doch: Über das Bundesheer wird wieder geredet und die Institution zurück in den politischen Diskurs geholt. Da kann auch die antimilitaristische Bewegung wieder neu ansetzen. Am 20.Jänner werden die Diskussionen nicht beendet sein, sondern erst so richtig beginnen. Und das bietet erneut Chancen, in der öffentlichen Debatte auch wieder mit der Forderung nach der Abschaffung des österreichischen Bundesheeres Gehör zu finden. Ob wir diese nutzen können, hängt aber vor allem von uns selbst ab.
Bernhard Redl