Audio-Glosse: Sieg der Siegertypen

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Bernhard Redls Audio-Leit-Senf der Woche: Glosse zu den Landtagswahlen in NÖ und Ktn – Was Pröll und Stronach gemeinsam haben…

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Der Sieg der Siegertypen

Die Wahlen in NÖ und Kärnten sind geschlagen. Kärnten erlebt einen Totalumbruch, Niederösterreich das Gegenteil: Vollkommene Stagnation! Die NÖ-Wahl brachte zwei Sieger: Der eine, Erwin Pröll, hat zwar ein wenig an Stimmen verloren, aber die absolute Mehrheit gehalten — in heutigen Zeiten doch ein Erfolg. Der andere, Frank Stronach, der reiche Onkel aus Amerika, schaffte sowohl in Kärnten als auch in NÖ um die 10%. Und sagt jetzt auch noch, eigentlich nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis zu sein.

Wie kann man sowas wählen? Also ich wundere mich ja sowieso, wieso im 21.Jahrhundert überhaupt noch wer ÖVP wählen kann, aber in NÖ muß man ja sowieso froh sein, wenn dem Durchschnittswähler klar ist, daß es das Erzherzogtum Österreich unter der Enns nicht mehr gibt.

Pröll und Stronach haben etwas gemeinsam: Es sind „geborene Sieger“. Pröll wählt man, wie die ÖVP das im Wahlkampf formuliert hat, um „klare Verhältnisse“ zu haben — also „weita in dera Dickn“.

Aber wenn man sich Detailergebnisse ansieht und diese mit den Ergebnissen von Kommunal- und Nationalratswahlen ansieht, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zugegeben, Kommunalwahlen sind immer etwas anderes, weil sie stark personenorientiert sind und auch nur lokal existente Listen oft eine gewichtige Rolle spielen — doch die Ergebnisse von Landtags- und Nationalratswahlen ähneln sich in anderen Bundesländern viel mehr als in NÖ. Da gibt es erzrote Gemeinden, wo die Pröll-Partei bei den Landtagswahlen regelmäßig trotzdem die meisten Stimmen erhält. Extrembeispiel Wiener Neustadt: Während die ÖVP 2008 bei den Nationalratswahlen dort gerademal 18,4% hatte, waren es bei den Landtagswahlen im selben Jahr 41,2% und heuer immer noch 39,6%. Bei den Gemeinderatswahlen 2010 aber schaffte die ÖVP dort gerade mal 25,4%. Das System Pröll, die Herrschaft des gütigen Landesvaters, scheint auch für Leute, die sonst sozialdemokratisch wählen, äußerst attraktiv zu sein — vielleicht eben nur deswegen, weil man bei den Siegern dabei ist.

Ähnliches kann man aber auch über Stronach sagen. Den kannte bis vor ein paar Jahren kein Mensch, dann aber kaufte er alles zusammen, was nicht niet- und nagelfest war bis hin zur Fußballbundesliga, erwarb Industriebetriebe, baute alles mögliche mit mehr oder weniger Erfolg — und fing sich dann aus der präsumtiven Konkursmasse des BZÖ einen Nationalratsklub zusammen. Und das reichte ihm als Grundlage dafür, derart bei zwei Landtagswahlen zu punkten — ohne ein Programm, ohne klare politische Aussagen (außer, daß er gegen den ESM ist) und mit Kandidaten, die für keinen irgendwie greifbaren politischen Inhalt stehen. Der Vergleich mit Jörg Haider, der da jetzt häufiger gezogen wird, ist überhaupt nicht treffend. Denn Haider baute auf einer zwar röchelnden, aber immerhin noch existenten Partei auf und reüssierte mit wenn auch ungustiösen, so doch klaren Aussagen. Von Stronach gibt es nur sein Lächeln auf Plakaten mit nebulosen Sprüchen und einige wenige, zumeist chaotische Interviews. War es etwa die Art, wie er sich gegen die Interviewregeln eines Armin Wolf wehrte, die ihm den Nimbus eines Rebellen verschaffte? Kaum!

Nein, Stronach ist der, der den berühmten Traum des Tellerwäschers, der Millionär werden will, verwirklichte. Er hat es geschafft. Er versteht etwas von Wirtschaft, so die Botschaft. In einem Land, in dem Betriebswirtschaft und Nationalökonomie für das Gleiche gehalten wird, und man lieber nicht sieht, wer denn tatsächlich unter welchen Bedingungen den Reichtum des Herrn Stronach erwirtschaftet hat, funktioniert das. Wenn Stronach diesen Staat wirklich so führen könnte, wie er seine Betriebe führt, könnte man Demokratie und Sozialsystem endgültig vergessen — aber das sehen seine Wähler nicht. Sie sehen den Erfolgreichen, den Siegertypen — und dessen Anhänger wollen sie sein.
Wahlpolitik ist doch nur ein Spektakel — ein Spektakel der Siegerfiguren. Währenddessen warfen sich in NÖ beispielsweise die KPÖ und in Kärnten die ASOK mit unheimlich viel Engagement und fast schon dem Mut der Verzweiflung in eine Wahlschlacht. Von ihren Inhalten her hätten sie ja wohl für viele attraktiv sein müssen, aber sie konnten nicht punkten, weil sie von Anfang an die Punze der Verlierer trugen und bei den meisten Wahldiskussionsveranstaltungen deswegen gar nicht eingeladen waren. Stattdessen wurden die Sieger gewählt oder zumindest die, die schon mal ein bißerl was gewonnen haben.

Mit dem Argument der „verlorenen Stimme“ allein ist das nicht zu begründen. Viel wirkmächtiger ist da der autoritäre Charakter. Denn wahrscheinlich ist es das, woran unsere Demokratie am meisten krankt: Die Sehnsucht, erfolgreichen Führern hinterherzulaufen!
Bernhard Redl

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