Heinz Fischer hat wieder einmal seine Rolle als salbungsvoller Bundesonkel erfüllt und uns gemahnt, nicht so viel zu kritisieren. Ein Grund, genau das zu kritisieren. (aus akin Nr. 2/2014)
“Dieses Jahr 2014 ist ein Jahr, das uns mehrfach an unsere Geschichte erinnern wird: 100 Jahre seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und 25 Jahre seit dem Fall des Eisernen Vorhanges und der Berliner Mauer werden Gelegenheit geben, uns mit der Geschichte und dem, was wir aus ihr lernen können, zu beschäftigen.”
So hat es also begonnen, das neue Jahr! Mit der Ansprache des Bundespräsidenten, in der Heinz Fischer drei runde Jahrestage erwähnt, die alle etwas gemeinsam haben: Sie bieten in der österreichischen Innenpolitik kaum mehr und in der großen Koalition gar keinen Stoff für kontroversielle Debatten. Die 80 Jahre seit den Februarkämpfen hätte gerade ein Sozialdemokrat vielleicht auch erwähnen können. Aber wo sich jene Parteien, die sich damals in einem Bürgerkrieg gegenübergestanden waren, gerade wieder so hübsch zusammengekuschelt haben und Fischer deren Regierung mit seinem Segen bedacht hat, erwähnt er das lieber nicht.
Und überhaupt, so der Bundespräsident, sollten wir viel mehr zu unserer Bundesregierung stehen:
“Ich weiß, dass es derzeit in den Medien und auch in der Bevölkerung ziemlich viel politisches Unbehagen gibt. … Dennoch bin ich überzeugt, dass es fair und sinnvoll wäre, so ähnlich vorzugehen wie im Sport, wo einer österreichischen Nationalmannschaft am Beginn eines internationalen Turniers oder am Beginn einer neuen Saison ja auch ein Vertrauensvorschuss gegeben und ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt wird.”
Einmal abgesehen davon, daß zumindest der Fußballnationalmannschaft kaum jemand einen Vertrauensvorschuß gibt, weil wir wissen, daß Österreicher einfach nicht Fußball spielen können, stellt sich schon die Frage, was dieser seltsame Vergleich soll. Politik ist kein Sport. Wie hoch eine österreichische Mannschaft verliert, kann uns letztlich egal sein und dient doch nur der Volksbelustigung. Auch wenn man bei den Herren Faymann und Spindelegger manchmal den Eindruck hat, sie versuchten den selben Zweck zu erfüllen, so geht es hier doch um recht manifeste Interessen. Und die Frage ist, wessen Interessen werden mit der Politik bedient — und nicht, ob wir unserer Bundesregierung den Rücken stärken, damit sie gegen andere Regierungen gewinnen möge.
Aber dann macht Fischer klar, was er wirklich meint:
“Ein solches Gemeinschaftsgefühl ist etwas sehr Wichtiges. Ich weiß natürlich, dass Kritik als Salz der Demokratie bezeichnet wird und dass es absolut notwendig ist, Kritik an Mißständen, an zu wenig Schwung bei Reformen — z.B. in der Bildungspolitik — an zu viel Bürokratie oder an zu wenig sozialer Symmetrie in unserer Gesellschaft zu üben. … Auf der anderen Seite benötigen wir aber auch Augenmaß bei der Beurteilung von Stärken und Schwächen, Vertrauen in die vielfach bewiesene Leistungsfähigkeit unseres Landes und Zuversicht für die Zukunft. Denn zu viel Salz kann auch die besten Speisen verderben.”
Darum geht es: ‘Tuts nicht soviel kritisieren!’ Man fühlt sich an die unseligen “In Zeiten wie diesen”-Plakate der SPÖ Anfang der 80er erinnert, auf denen es unter anderem hieß, man solle “nicht herumreden, nicht schimpfen, nichts Unmögliches versprechen, nicht unsinnige Fragen stellen”. Das war zwar hauptsächlich auf die damals oppositionelle ÖVP gemünzt, aber Bruno I. hatte wohl generell alle gemeint, die etwas an seiner Politik auszusetzen hatten. Heinz Fischer war damals Klubobmann der SPÖ und Kreiskys Stellvertreter in der Partei. Da merkt man schon eine gewisse Prägung.
Geschmäcker und Watschen
Salz ist ein Gewürz. Es verändert den Geschmack, nicht die Essenz einer Speise. Wenn Kritik ein Gewürz ist, das man verwendet, damit einem Herrschaft besser schmeckt, dann hat Fischer recht: Zuviel davon wäre schlecht, weil man dann den Geschmack der Krot, die man schlucken muß, nicht mehr wahrnimmt. Auch der HBP sollte sich beim Würzen zurückhalten. Hätte er in seiner Rede beispielsweise nicht verfeinert vom eher ästhetischen Problem der “sozialen Symmetrie”, sondern von “Armut und Reichtum” gesprochen, also Tacheles geredet, wäre der bittere Geschmack des Kapitalismus deutlicher zur Geltung gekommen.
Aber nein, er formuliert lieber so:
“Auch in den nächsten Jahren soll und wird ‘Made in Austria’ ein Zeichen für Fortschritt und Qualität sein. Dieses Ziel werden wir erreichen, wenn jeder und jede Einzelne von uns sich mit dem Projekt Österreich identifiziert und solidarisch daran mitarbeitet.”
So ist das also! Wir sind nicht mehr “das Volk” oder “Bürgerinnen und Bürger”, wir sind “Projektmitarbeiter” — die einig Front fürs Vaterland. Danke, jetzt wissen wir das auch.
Wohldosierte Kritik hätte der HBP gerne. Gerade einmal nur soviel, daß es nach Demokratie aussieht, aber die Herrschaftsverhältnisse nicht stört — Kritik als mildes Dressing, damit die politische Auseinandersetzung nicht so fad wirkt.
Kritik muß aber etwas anderes sein als nur eine Verbesserung des Anscheins von Demokratie. Daß unser Genörgel den Herrschenden derart unangenehm ist, daß sogar der Bundespräsident gefragt ist, um Zurückhaltung anzumahnen, ist ein gutes Zeichen. Daß hingegen ein sozialdemokratischer Präsident tatsächlich keinen Genierer hat, mittels schiefer Metaphern und salbungsvoller Stimme auch den angeblichen Souverän aufzufordern, nicht so goschert zu sein, sondern sich in Zeiten wie diesen solidarisch um seine Projektleiter zu scharen, ist doch recht bedenklich.
Bernhard Redl
Radiofassung: http://cba.fro.at/252725