Presseschau: WESTBahnhorror, Standard-PR, Funkhaus, Linke = VT, Rassismus-Facepalm

Kommentierte Presseschau aus akin 16/2014 –


Vermuteter Bahnhorror

Daß bei der WESTbahn die Arbeitsbedingungen nicht die besten sein sollen, ist ja keine Neuigkeit. Eindeutige Belege gibt es dafür keine – allerdings wurde auch immer wieder vermutet, dies liege an dem Druck auf die Mitarbeiter, den Mund zu halten. Das Boulevard-Portal „Salzburg24“ lieferte letzte Woche dazu einen Artikel unter dem Titel: „WESTbahn: Sicherheitslücken und Mitarbeiterhorror?“ Die Quelle der Vorwürfe ist allerdings erklärtermaßen ein anonymer Brief. Der Autor dieses Briefes meint über die Sicherheit in den Zügen: „Feuerlöscher, Fluchtwege, Notausstiege und Eingangsbereiche sind voll von Großgepäck und überall stehen Menschen. Zu den Hauptverkehrszeiten hab‘ ich oft gebetet, dass nichts passiert“. Und zu den Arbeitsbedingungen meint der Beschwerdeführer, Mitarbeiter müßten bis zu sieben Tage die Woche 13-Stunden-Schichten besetzen, um nach einem Tag Pause wieder in dieser Einteilung zu arbeiten.

Letztere Behauptung wäre von der WESTbahn-Geschäftsführung keiner Stellungnahme gewürdigt worden, so der Salzburg24-Artikel, doch die behaupteten Sicherheitsmängel gebe es nicht, so wird Angelika Veith, Pressesprecherin der Bahngesellschaft zitiert.

Dafür gibt es in diesem Artikel eine Stellungnahme von OÖ-AK-Präsidenten Johann Kalliauer: „Dass es um die Arbeitsbedingungen bei dieser Firma nicht zum Besten bestellt ist, wird immer wieder an uns herangetragen und unseren Mitarbeitern ‚hinter vorgehaltener Hand‘ erzählt. Auch dürfte es Einschüchterungsversuche seitens der Firma geben und der Druck auf die Arbeitnehmer arbeitsrechtlich ’nichts zu unternehmen‘ sehr hoch sein“.

Interessant allerdings ist, daß ein paar Tage nach Erscheinen des Artikels dieser wieder von Salzburg24.at verschwand. Ob das wegen einer Intervention von Kapitalkreisen passierte oder weil die Geschichte auch der Redaktion zu unseriös vorkam, ist fraglich. Zu Redaktionsschluß war der Artikel noch über den Google-Cache auffindbar.
Ursprüngliche Veröffentlichung unter: http://www.salzburg24.at/westbahn-sicherheitsluecken-und-mitarbeiterhorror/3997765


PR-Artikel mit feministischer Attitüde

Einen nicht sehr seriösen Artikel mit Hang zum product placement lieferte am 19.Juni der „Standard“. Unter dem feministisch anmutenden Titel „In der Pensionslücke verbirgt sich auch ein Gender-Gap“ wird eine Umfrage unter noch nicht pensionierten Frauen präsentiert. Die Zusammenfassung: „Nicht einmal ein Viertel der Befragten ist der Meinung, mit ihrer zukünftigen Pension den Lebensstandard halten zu können. Immerhin 30 Prozent glauben, damit die Ausgaben des täglichen Lebens bestreiten zu können. Ebenfalls ein Drittel vertritt die Ansicht, sich nicht einmal diese Ausgaben leisten zu können.“

Man sollte meinen, in diesem Artikel geht es um eine Debatte um ein unfaires Pensionssystem. Falsch! Denn die Umfrage wurde nicht von einer staatlichen Stelle oder einer NGO in Auftrag gegeben, sondern von der Wiener Städtischen Versicherung. Die einzige Expertin, die in diesem Artikel zu Wort kommt, ist auch Judit Havasi, Generaldirektor-Stellvertreterin der Firma. Der Rest des Textes ist eine einzige Werbeeinschaltung für Privatpensionsverträge, die man speziell ökonomisch schlecht abgesicherten Frauen verkaufen möchte.

Und nein, der Text ist natürlich nicht als kommerzielle Anzeige gezeichnet. Derartige PR-Artikel in Zeiten der Journalismus-Krise sind zwar heute schon gang und gäbe, der Standard war sich aber bislang zu gut dafür.
http://derstandard.at/2000002103106


Journalismus außerhalb des Gürtels

Sybille Hamann empörte sich in der „Presse“ am 18.Juni unter dem Titel „Wie man mutwillig ein lebendiges Programm zerstört“ über die geplante Absiedlung der ORF-Radios aus der Wiener Argentinierstraße: „Oh ja, man merkt einem Medium schon manchmal an, wo es hergestellt wird. Das ORF-Fernsehen auf dem Küniglberg zum Beispiel: Das befindet sich auf einem Hietzinger Hügel, fernab vom Leben der Hauptstadt. Rundherum Villenviertel …, ein paar verschlafene Gemeindebauten, viele Bäume, einige Wildschweine, … Wer zum ORF-Fernsehen will, sollte Zeit haben und für den Weg eine gute Stunde einplanen. An der Kennedybrücke wartet man ewig auf den Bus, am Wochenende und abends fährt der gar nicht. … Ist man erst einmal oben angekommen, hat man die Stadt jedenfalls schon vollkommen abgestreift. Und taucht in eine eigene Welt ein: mit ORF-Portier, ORF-Kantine, ORF-Maske, ORF-Dienstplänen, ORF-Luft, ORF-Konflikten, ORF-Kollegen. Ist man den anderen ORFlern in den ORF-Gängen oft genug begegnet, wird man nach vielen ORF-Jahren vielleicht zum ORF-Star. Und darf bei „Dancing Stars“ mittanzen.“ Im Gegensatz dazu das ORF-Radio: „Ö1, FM4 und Radio Wien werden im Funkhaus gemacht, in der Argentinierstraße. Radio ist ohnehin ein schnelleres, unmittelbareres Medium als das Fernsehen. Man braucht weniger Ausrüstung, muss weniger tragen, ist schneller vor Ort, kann spontaner disponieren. Dazu kommt im Fall des Funkhauses allerdings noch ein wesentlicher Vorteil: Man ist mitten in der Stadt, nah dran an Menschen und Ereignissen, über die man berichtet.“ Und Hamann befürchtet halt, daß mit der Umsiedlung der Radios auf den Hietzinger Berg deren Programm ähnlich dröge und selbstverliebt wie das ORF-Fernsehen werden könnte.

In Folge dieses Presse-Artikels – dessen Kritik an der Umsiedlung ja schon auch anderswo vielfach geäußert worden war – entspann sich auf Twitter übrigens eine heftige Debatte darüber. Einer der Teilnehmer der Debatte meinte: „Funkhaus-Innenstadt-Larmoyanz, diesmal von @sibyllehamann. Als ob es außerhalb des Gürtels kein Leben gäbe“ und „Ich halte die ganze Prämisse für falsch, guten Journalismus gäbe es nur in Zentren. Siehe zB Salzburger Nachrichten.“ Hamann replizierte darauf: „‚zentren‘ sind wurscht. aber dass journalismus sich dem leben aussetzen muss, glaub ich schon.“ http://diepresse.com/home/3822955


Linke sind Verschwörungstheoretiker

Robert Misik versucht sich wiedemal als Provokateur. Die Provokation ist ihm auch diesmal gelungen, aber seinem Ruf hat sie wohl nicht gut getan. Der Text „Warum sind viele Linke so peinlich?“ in der „taz“ am 21.Juni ist ja im Grundansatz noch verständlich: „Nur wer sich auf die Welt einlässt (und sie damit so sieht, wie sie ist), der sich die Wirklichkeit nicht als abgrundtief schlecht zurechtlegt, sondern auch die Chancen sieht, die sie bietet, hat überhaupt erst eine Chance, auf effektive Weise ‚dagegen‘ zu sein. Da ja hinter jeder Theorie immer auch eine Emotion steht, hat das viel mit Grundgefühlen oder Mentalitäten zu tun. Pessimist oder Optimist, Nörgler oder Frohnatur – darauf lässt sich letztendlich jede Theorie oder Prototheorie zurückführen. Denn eines ist ja ziemlich erklärungsbedürftig: Wenn man, wie ich, der Meinung ist, dass die Linke generell recht, die Rechte im Allgemeinen unrecht hat, warum ist die Linke dann oft so lächerlich?“

Soweit kann man Misik ja noch folgen in seinem doch sehr stark sozialdemokratisch orientierten Denken. Denn sicher tendiert die Linke dazu, sich abzukapseln und in ihrem eigenen Saft zu schmoren, anstatt sich auf die Welt einzulassen, wie sie nunmal ist. Und wenn der taz-Autor meint: „Kaum öffne ich Facebook und Twitter, schon bin ich versucht, auszurufen: ‚Ist heute denn wieder Internet-Tag in der Psychiatrie!?'“, so kann man das auch verstehen.

Blöd nur, das Misik dann eine Polemik nur über Leute schreibt, die kaum relevant und schon gar nicht repräsentativ für die Linke sind: „Montagsdemonstranten, die skurrilen Verschwörungstheorien anhängen (dass die Nato der bewaffnete Arm des amerikanischen Federal Reserve Board ist, ist hier noch die sympathischste); hyperventilierende Antisomethings, zwischen peinlich und aggressiv changierend, die überall ausgeklügelte gemeine Pläne der Herrschenden und ihrer Büttel wittern, die unter Verfolgungswahn nicht leiden, sondern ihn genießen; … Leute, die alles bezweifeln, was in der gedruckten Zeitung oder in ordentlich gebundenen Büchern steht (weil das ja Mainstreammedien sind) und jeden Unsinn sofort glauben, wenn er auf bizarren Internetportalen auftaucht…“ usw. usf …

Conclusio: „Vielleicht ist es ja so: Dagegensein birgt die Gefahr der Fundamentalopposition. Die Welt schlecht, mithin für verbesserungswürdig zu halten, lässt Leute dazu neigen, jedes Detail der Wirklichkeit als Indiz für die hoffnungslose Schlechtigkeit der Welt zu nehmen. Ergebnis: Ein Tunnelblick, in dem man sich dann auch noch unter Seinesgleichen bestärkt. Wie aber soll man die Welt verbessern mit Leuten, mit denen nichts Sinnvolles anzustellen ist?“

Die Kritik ist verständlich – aber warum solche seltsamen Beispiele, die für „die Linke“ stehen soll? Allerdings: Kommentieren muß man das jetzt nicht weiter – Misik hatte seinen Shitstorm schon im Netz.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2014%2F06%2F21%2Fa0176&cHash=d6e521ebe356e03292cdc80fa02c53df


Rassistisch – oder auch nicht

„Singen können die alle. Handbuch für Negerfreunde“ heißt eine Publikation des Carlsen-Verlags. Das Cover zeigt einen nackten dunkelhäutigen Mann, dessen Genitalien von einer Geschenkschleife verdeckt sind. Das es sich dabei eher um ein satirisches Werk denn eine Nazi-Publikation handeln dürfte, sollte eigentlich beim Anblick des Covers klar sein. Und beim Renommee des Verlags wohl auch. Nicht so allerdings dem „Referat für Gleichstellung und Lebensweisenpolitik (RGL)“ des Student_innenrats der Uni Leipzig. Die schickten dem Carlsen-Verlag – so ist im „Börsenblatt“ des Deutschen Buchhandels am 16.Juni nachzulesen – die Benachrichtigung, das Buch habe den Negativpreis „Der Preis ist heißßßß* – oder auch nicht“ gewonnen. Und zwar wegen der Darstellung „rassistischer Inhalte“. Weiter heißt es in dem Schreiben: „aufgrund der über 150 prämierten Einsendungen ist es uns nicht möglich, eine individuelle Erklärung einzufügen“. Nunja, nett und politisch korrekt gemeint, aber wenn man soviele Prämierungen machen möchte, kann man natürlich nicht alle auf ihre Relevanz überprüfen. Wenn man aber mit solchen Negativpreisen etwas an den Pranger stellen will, dann sollte man doch wenigstens ein bisserl recherchieren – sonst steht man selbst am Pranger und entwertet so die eigene Arbeit. Denn Marius Jung, der Autor des inkriminierten Buches – man hätte es sich denken können – ist selbst der dunkelhäutige Mann am Cover. In diesem Buch schildert Jung „sein Leben als schwarzer Deutscher“, so der Verlag. Nach dieser Aktion der Leipziger Student_innen hat er bei einer eventuellen zweiten Auflage seines Buches sicher die Möglichkeit noch ein besonders interessantes Kapitel hinzuzufügen. http://www.boersenblatt.net/802691/

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Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Berichte auf die Online-Ausgaben der zitierten Medien. Zeitungsleser: -br-.

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