Soziale Bewegung, souveräne linke Landespartei oder Evas Lieblinge – die Wiener Grünen wissen in diesem Wahlkampf nicht so recht, was sie eigentlich sein wollen. (Aus der Druckausgabe 19/2015)
Einen „Wohlfühlwahlkampf“ wollten sie führen, die Wiener Grünen. Das war der Plan. Herausgekommen ist die Darstellung ihrer Orientierungslosigkeit. Angefangen haben die Seltsamkeiten im Juni mit dem Großplakat von Vassilakou mit dem Text: „Sorry Michi. Ich muss zu deiner ewigen Baustelle: Bildung.“ Die Grünen fanden das witzig. Das „profil“ teilte diese Ansicht allerdings anders akzentuiert: Deren Online-Umfrage „Was will uns Maria Vassilakou mit ihrem Plakat sagen?“ endete mit einem eindeutigen Ergebnis unter vier Antwortmöglichkeiten war mehr als die Hälfte der Mitstimmenden mit folgender Aussage einverstanden: „Keine Ahnung, Bildung klingt einfach immer gut.“
Währenddessen produzierten die NEOS ein Plakat, das ziemlich populistisch Parteienfinanzierung und Bildungskosten verknüpfte wofür die NEOS auch von wirtschaftsliberalen Kreisen ordentlich Schelte bekamen. Was machen die Grünen? Ende August präsentieren sie ein Sujet gleichen Inhalts und wundern sich, daß sie dafür nicht nur inhaltlich dafür kritisiert, sondern auch mit dem Plagiatsvorwurf konfrontiert werden.

Mary, die Spitzenkandidatin, antwortet so, daß es auch wahlberechtigte Vorschulkinder noch verstehen können. Einfach, weil es hip ist. Oder das, was die Grünen dafür halten (Ausschnitt aus dem EVA-Magazin)
Und es kam, was kommen mußte auch wenn es bei der Landespartei im Vorfeld interne Proteste gegeben hatte: Die Bundespartei druckte den Wienern ein „EVA-Magazin“ aufs Aug. Der politische Inhalt ist nahezu Null und handelt auch nicht von Wiener Themen. Kein Wunder, wurde doch eine fast völlig gleiche Ausgabe für Oberösterreich produziert. Einziger Unterschied: auf einer Doppelseite werden die jeweiligen Kandidaten vorgestellt die halt ärgerlicherweise in den beiden Bundesländern verschiedene sind. Sowohl „Mary“ als auch „Rudi“ (Nachnamen sind ja bei den Grünen sowas von 20.Jahrhundert) dürfen Interviews geben, mit so beinharten Fragen wie: „Was passiert, wenn du eine Karaoke-Bühne betrittst?“ Die Antworten sind nicht wirklich zitierfähig, sondern anscheinend für sekundäre Analphabeten gedacht, denn sie sind nur in Emoticons verfaßt. Wichtig ist aber eh nur das Bild von Nationalrat Julian Schmid, der weder in Wien noch in OÖ kandidiert, aber mit Lippenstiftflecken als Love Interest durchs übergroße Dorf gejagt wird.
Die Einzigen, die da noch ein bisserl meckern, sind die Junggrünen. Die erklärten das EVA-Magazin glattweg zur „Satire“ und wollen nun ein eigenes Satireblatt lancieren. Es heißt „MOONY-Magazin“ (nach der Sprecherin der Wiener Junggrünen) und soll nächste Woche erscheinen. Wie frech das wirklich sein wird, bleibt abzuwarten.
Dazwischen in diesem Wahlkampf: Mahü, Mahü, Mahü und noch ein paar andere Bobo-Entspannungszonen. Das Desserteursdenkmal am Ballhausplatz, das es ohne die Grünen (und da vor allem David Ellensohn) nie gegeben hätte und auf dessen Errichtung sie trotz aller Kritik stolz sein könnten, ist im Wahlkampf nichtmal einen Pieps wert.
Dann kamen die Flüchtlinge. Plötzlich war für viele ehrlich engagierte Kandidaten und Basiswappler der Grünen der Wahlkampf wurscht und sie wollten einfach nur helfen. Und sahen sich gezwungen, ständig zu betonen, daß es hier nicht um den Wahlkampf gehen dürfe und Menschen aus anderen politischen Parteien und Richtungen genauso mit aktiv sind. Aber man kann offensichtlich nicht nicht wahlkämpfen. Spätestens mit dem Sager Vassilakous im „Standard“: „die Grünen, die Tag und Nacht an den Bahnhöfen Flüchtlinge betreuen“ war klar: Das nicht parteipolitisch gemeinte Engagement wird in den Wahlkampf eingebaut. Das hätte man ja noch als dummen Ausrutscher durchgehen lassen können. Aber nein, die Bundespartei muß natürlich auch gleich auf ihrer Homepage ein Riesensujet unterbringen „Wir helfen Flüchtlingen“ – auch mit Bildern jener Leute, die sich genau so eine Wahlkampfvereinnahmung verbeten hatten.
Natürlich, Häupls Sager von den „Zeiten fokussierter Unintelligenz“ gilt auch für diesen Wahlkampf. Nur: Es ist aber nicht uninteressant, worauf fokussiert wird. Wenn die oberösterreichischen Grünen mit „Man wählt nur mit dem Herzen gut“ werben, ist das auch eine Charakterisierung des Wiener Wahlkampfs. Man will den Wähler emotional packen, anstatt ihn mit rationalen Argumenten zu langweilen.
Wenn das die oberösterreichischen Grünen tun, deren politischer Gehalt ja mit dem engen Öko-Horizont Rudi Anschobers begrenzt ist, geht das in Ordnung. Die sind so. Da kann man jetzt auch nichts mehr machen. Aber wenn sich die Wiener Grünen, die einstmals so auf ihre Selbstständigkeit, Aufrichtigkeit und ihre linken Inhalte stolz waren und das weitgehend sogar zurecht , von seltsamen PR-Profis und der Bundespartei ein neues Image verpassen lassen, was letztendlich auch zu anderen Inhalten führen wird, dann ist das einfach nur tragisch.
Bernhard Redl