Es ist peinlich! Wieso gefällt es mir, daß die österreichische Nationalmannschaft plötzlich Fußballspielen gelernt hat? Als Internationalist und Antipatriot darf mir das gar nicht gefallen! Allerhöchstens, wenn die Ösis wiedermal gegen die Piefkes gewinnen, aber erstens ist das jetzt nicht der Fall gewesen, zweitens kann man das unter Antiimperialismus laufen lassen und drittens ist das in meinen 48 Lebensjahren sowieso nur ein einziges Mal passiert.
Okay, was hätten wir da an politisch korrekten Ausreden für meine Freude?
1) Die Ösimannschaft besteht zur Hälfte aus Migranten!
Gut! Aber das quietscht natürlich. Weil: Es sind ja trotzdem alles österreichische Staatsbürger und auch die meisten Nazis gerade in Wien haben sowas wie einen „Migrationshintergrund“ (weil den in dieser Stadt sowieso kaum jemand nicht hat). Und Patriotismus geht auch mit Rassismus super – wenn der Alaba ein Tor schießt, hält ihn auch der ärgste Heimattreue für
„einen der unseren“.
2) Die Ösimannschaft hat mit einem Transparent vor einem Match Solidarität mit Flüchtlingen eingefordert!
Schon schön! Aber: Ich hab mich blöderweise schon vorher darüber gefreut, daß die jetzt kicken können.
3) Natürlich, das ist nicht diese peinliche Bundesregierung, hat also gar nix mit dem Staat zu tun, sondern das ist einfach nur eine Sportmannschaft.
Aber wenn sie das wirklich wäre und eben nicht die österreichische Nationalmannschaft, würde ich mich nicht darüber freuen. Also so gehts auch nicht.
4) Österreicher konnten eigentlich seit dem Karriereende von Krankl und Prohaska nie Fußballspielen. Das ist ja nicht so wie bei den Wintersportlern. Österreicher können schifahren und nicht kicken! Die Fußballnationalmannschaft hat man immer bedauern und sein Mitleid mit diesen anderweitig Befähigten ausdrücken können. Jetzt darf man sich doch mal drüber freuen, daß die jetzt dauernd das Runde ins Eckige bringen. Wird eh nicht lange anhalten.
Ich weiß nicht, ich weiß nicht, klingt auch nicht überzeugend…
5) Es ist eine läßliche Sünde und man muß nicht so streng sein und überhaupt: Mir wern kan Richter brauchen!
Eine österreichische Lösung des Dilemmas also? Hilfe, das ist ja noch patriotischer!
Scheiße, ich komm da nimmer raus! Und das Schlimmste: Eigentlich ist mir Fußball vollkommen wurscht! Und trotzdem freue ich mich! Ich brauch dringend ein hochintellektuelles Internationalismus-Seminar! Aber das nutzt wohl auch nix mehr! Die motionen san a Hund!
Mario Czerny
[akin-Druckausgabe 19/2015, Rubrik: Letzte Worte]