Zur grassierenden Strachitis in diesem Wahlkampf
Noch sind die Wiener Landtagswahlen nicht vorbei. Aber ein Resümee des Wahlkampfs unabhängig vom Ergebnis wäre jetzt angebracht. Nachher wird sowieso alles wieder mit den Analysen des Ergebnisses zugeschüttet und daß das Ergebnis gar nicht so überraschend gewesen wäre — weil nachher haben eh alles es vorher gewußt.
Daher hier jetzt, ohne jede Ankränkelung durch die Kenntnis eines Ergebnisses, der Versuch diesen seltsamen Wahlkampf ein wenig zu beleuchten. Denn einen derart hysterischen und blöden Wahlkampf habe ich bei einer Regionalwahl noch nie und auf Bundesebene nur selten erlebt. Ja, Michael Häupl hat in Anspielung auf seinen mittlerweile schon klassischen Sager sinngemäß gemeint, man könne das mit der focussierten Unintelligenz auch übertreiben. Da hat er recht, denn das ist diesmal passiert.
Worum ging es in diesem Wahlkampf? Also um wichtige kommunal- und landespolitischen Themen nun einmal nicht. Als gelerntem Österreicher wundert einen das gar nicht, das ist ja meistens so.
Aber worum sonst? Es ging auch nicht um die „Mahü“, auch wenn das die Grünen gerne gewollt hätten. Denn darum gab es ja bereits in der gesamten Legislaturperiode ein Riesen-Tamtam, weswegen dieses Thema nun wirklich keinen mehr interessiert. Abgesehen davon haben die Grünen übersehen, daß die Neugestaltung eines Stückerls Einkaufsstraße in einer faktischen Zweimillonenstadt doch eher eine quantité negligable ist — oder deftiger formuliert: 90% der Wiener geht die Verkehrsgestaltung in der Mahü am Arsch vorbei, die haben ganz andere Sorgen.
Die Flüchtlinge? Ja, ein wichtiges Thema. Aber nur peripher ein kommunalpolitisches. Und daher auch nicht wirklich im Wahlkampf präsent, auch wenn man immer wieder versucht hat, unterzubringen.
Nein, das wichtigste Thema war ein Politiker, der nichtmal im Rathaus tätig ist, sondern Klubobmann im Nationalrat. Dieser Politiker will Wiener Bürgermeister werden. Faktisch hat er da keine Chance, denn selbst bei einer relativen Mehrheit wird er niemanden finden, der ihm den Rest auf 51 Mandate im Rathaus bringt.
Aber für eine Gespensterdebatte reicht es allemal. Witzigerweise versuchen fast alle Parteien von Straches Kandidatur für das höchste Amt im Land zu profitieren:
Die FPÖ, weil sie Straches Bildnis plakatieren kann.
Die SPÖ, weil sie ihre alten Sozis, die sich vielleicht längst schon innerlich von der Partei verabschiedet haben, jetzt wieder zum Rennen bringen kann.
Die Grünen, weil sie behaupten können, nur sie wären ein Garant für die Nichtbeteiligung der FPÖ an der Regierung.
Und zuletzt versuchten es sogar die NEOS mit der Brechstange, indem sie auf der letze Serie ihrer Wahlplakate tatsächlich doch den Namen des Spitzenkandidaten der FPÖ groß druckten, um zu behaupten, „nur eine neue Kraft“ könne diesen stoppen.
Nur die ÖVP hatte ein „Leider nicht!“ in diesem strachitischen Wahlkampf, weil, naja, weil sie die ÖVP ist und beim besten Willen nicht einigermassen glaubwürdig argumentieren kann, warum eine Stimme für sie eine gegen Strache wäre.
Die kleinen Kandidaturen, denen kaum jemand einen Einzug ins Rathaus zutrauen mag, hielten sich da übrigens wohltuend zurück — die machten zum Teil sogar mit ernsthaften Thema Wahlkampf, aber das interessiert ja keinen.
Aber ist das nicht peinlich? Jetzt einmal abgesehen von den NEOS, bei denen ist ja Peinlichkeit Teil der Parteiidentität — nein, vor allem Sozialdemokratie und Grüne seien hier angesprochen, aber auch die großen Medien: Wieso ist die Zuspitzung auf Strache gar so geil, daß man alles andere vergißt?
Erst der Blick des Kaninchens macht die Schlange! Es ist wie zu Haiders Zeiten: Hätte man seine aggressiv-blöde Art einfach ignoriert, wäre der „Jörgl“ nie so populär geworden. Heute heißt der Gottseibeiuns Strache. Der Butzemann, mit dem man kleine, dumme Wählerchen ängistigen möchte, damit sie das nächste mal auch brav ihre Kreuzelchen an der richtigen Stelle machen. Blöd nur, daß das halt so nur sehr bedingt funktioniert und zum Teil geradezu in Angstlust umschlägt.
Verstärkt wird dieser Grusel-Effekt heute aber noch durch die hysterischen Antistrachisten in den Sozialen Medien. Anstatt eine vernünftige fortschrittliche Politik zu fordern, die mit der Liebedienerei gegenüber dem Kapital Schluß macht, regt sich der moderne Gutmensch über Strache auf. Und über dessen Wähler, der doch nun gar so blöd sei. Man regt sich aber nicht über diejenigen auf, die diese Menschen erst zu Strachewählern gemacht haben. Nein, im Gegenteil, mit jedem Zitat von Strache, mit jeder Fotomontage macht man Werbung für ihn.
Und das hat soweit geführt, daß sogar Wahlkämpfe als wichtigstes Thema die Person Heinz-Christian Strache haben. Ein Politiker aber, der es schafft, in einem Wahlkampf fast im Alleingang nicht nur Agendasetting zu betreiben, sondern auch, daß die wichtigste Agenda er selbst ist, der hat eigentlich schon ziemlich viel gewonnen.
Liebe Leute in den anderen Parteien und in den großen Medien: Ihr habt es vergeigt! Ihr habt vergessen, daß es doch um eine Gestaltung der Politik in dieser Stadt und in dieser Republik gehen muß. Und nicht um das blöde Grinsen eines wirklich sehr seltsamen Führers einer Oppositionspartei. Das ist die große Katastrophe — und nicht das wie auch immer aussehen werdende Wahlergebnis!
Bernhard Redl
Als Radioglosse zu hören unter: http://akin.mediaweb.at/radio/akin2015-21-strachitis.mp3