Seit einem Jahr steht es jetzt dort am Ballhausplatz: Das Desersteursdenkmal! Schön, daß es dieses endlich gibt, und schön, daß es so prominent steht. Über die Ausformung kann man streiten. Daß der Titel „Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz“ das Wort Deserteure ausspart, stört mich aber seit der Aufstellung. Ja, natürlich, es waren nicht nur Deserteure, sondern auch „Wehrkraftzersetzer“ und andere, die da umgebracht worden sind oder gerade einmal so mit dem Leben davonkamen. Aber ich habe den Verdacht, daß es noch andere Gründe gibt, die Deserteure nicht prominent zu nennen. Einer davon ist sicher, daß die politische Durchsetzbarkeit einfacher gewesen ist, weil man das böse D-Wort nicht oder eben nur im erklärenden Kleingedruckten gebraucht hat. Doch da ist noch etwas anderes, was mir erst jetzt auffällt: Es sollte gar kein Denkmal sein, sondern ein Mahnmal! Man hat quasi den Nazis ein Denkmal gesetzt, denn im Titel wird die NS-Militärjustiz als Akteur genannt, derer man — natürlich im negativen Sinne — gedenken sollte. Die Deserteure hingegen kommen nur als Opfer vor, in einer vollkommen passiven Rollenzuschreibung. Dabei haben diese etwas gemacht, dem es wohl nachzueifern gelte — also eben Täter in einem positiven Sinne. Aber nein, mit dem Titel des Denkmals fällt das völlig unter den Tisch. Das Denkmal oder eben eher Mahnmal sagt: Hier gedenken wir wieder einer Opfergruppe der Nazis. Und wir sind stolz darauf, daß wir das geschafft haben, bevor die letzten Überlebenden dieser Gruppe verstorben sind. Aber dieses Denkmal sagt in seinem Titel nicht, daß diese Männer zu ehren wären, weil sie etwas gemacht haben, das gut und wichtig war. Nein, man ehrt sie nur als „Verfolgte“.
Der Staatsantifaschismus hat einfach seine Probleme mit dem Widerstand gegen die Nazis. Denn wer Widerstand geleistet hat, wer die Gesetze gebrochen hat — auch wenn es die der Nazis waren — den kann man nicht so ohne ein „wenn und aber“ ehren. Weil solche Vorbilder sind gefährlich. Ignorieren kann man die Leistungen dieser Menschen aber auch nicht mehr. Also ehrt man sie einfach als Opfer. Und dann reden wir nicht weiter drüber…
Bernhard Redl