Kein Grund zur Freude

Das finnische Experiment zeigt nur das Dilemma der Grundeinkommensdebatte –

Jetzt ist also das passiert, vor dem sozialdemokratisch denkende Sozialpolitiker immer gewarnt haben: Das Experiment Grundeinkommen wird nach dem neoliberalen Modell gestartet. Ausgerechnet die rechte Regierung Finnlands beginnt einen Testlauf unter dem Titel „Grundeinkommen“, der mit Sozialpolitik nicht das Geringste am Hut hat. Der großartige Stefan Schulmeister hat in der ZiB24 immer wieder betonen müssen, dass man über die Grundeinkommensidee als solche nicht diskutieren könne, wenn man dabei nicht auch gleichzeitig über die Höhe dieses Sockelbetrags spricht. Denn ansonsten lande man bei dem Modell, daß schon Milton Friedman vorgeschlagen habe, um die Bildung eines „Lumpenproletariats“ zu vermeiden. Mit der Idee, daß man davon auch leben können müsse, habe das aber nichts zu tun, so Schulmeister.

Haben also die linken Kritiker der Grundeinkommensidee rechtbehalten? Ja und Nein.

Ja deswegen, weil sich bewahrheitet hat, dass unter dem derzeitigen hegemonialen Wirtschaftsparadigma nur so ein Friedman-Einkommen denkbar war.

Und nein deswegen, weil diese Kritiker damit verzichtet haben, die Idee eines echten existenzsichernden bedingungslosen Grundeinkommens zu forcieren. Sie haben wohl auch deswegen rechtbehalten, weil sie den Diskurs der Rechten überlassen haben.

Das wirklich Schlimme am Experiment in Finnland ist aber die Berichterstattung hierzulande darüber. Das dürfte auch mit dem Hype um das Experiment, den sich im Laufe des letzten Jahres ständig ändernden Verlautbarungen der finnischen Regierung bei gleichzeitiger Unkenntnis der finnischen Sprache im Rest von Europa zusammenhängen. Nach den wenigen genaueren Informationen die in Deutsch oder Englisch verfügbar sind, wird nicht das Arbeitslosengeld durch das Grundeinkommen ersetzt, sondern ein Sozialtransfer, der eher Hartz IV oder unserer Mindestsicherung entspricht. Daneben gibt es aber noch weitere Sozialtransfers (Wohnungsbeihilfe, Kinderbeihilfe etc.), die auch weiterhin zuzüglich des Grundeinkommens ausbezahlt werden dürften – zum Teil allerdings nur dann, wenn keine Arbeit angenommen wird.

Damit wäre das Modell aber gar nicht so brutal wie berichtet und für die Testpersonen gar nicht so großartig viel ändern. Bei uns kommt aber die Info an, daß man von 560 Euro auch leben könne. Und daß das die Richtschnur für hiesige Regelungen wäre.

Nein, das finnische Modell ist keines für ein Grundeinkommen. Und man sollte es als ein solches gar nicht mehr diskutieren. Die Forderung muß lauten, daß es genug Geld zum Leben für alle geben muß, egal ob sie arbeiten oder nicht – und zwar ohne hintenherum dem Arbeitsfetisch zu huldigen. Auch wenn man nicht glaubt, daß man das durchsetzen kann.

Bernhard Redl
[Druckausgabe 1/2017]

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