Möge die Übung gelingen! (Zur Grünen Landesversammlung)

Die Grünen sind vielleicht doch nicht ganz so blöd, wie es bisweilen den Anschein haben mag. (aus: akin 24/2017)

Die Landesversammlung der Wiener Grünen am Samstag war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zuallererst sei hier natürlich das Aussperren der Medien von der eigentlichen Debatte erwähnt — da scheint jemand in der Partei etwas begriffen zu haben. Denn wenn man diskutieren — sprich: streiten — will und wohl auch muß, geht es nicht an, daß die Akteure sich ständig überlegen müssen, wie denn das in der Zeitung rüberkommt. Die Unsitte, im kleinen Kreis ohne Medien und auch ohne Basis etwas auszubaldowern, was dann mit Mediendruck bei dem angeblich einzig relevanten Gremium, der Landesversammlung, nur mehr abgenickt wird, wurde damit zumindest ein bisserl weniger leicht praktizierbar. Wenn die Bundespartei das übernehmen könnte, gäbe es vielleicht keine Beschlüsse mehr, die mit vorgehaltener Fernsehkamera erpreßt werden.

Gute Laune mit der GAJ

Die Präsentation und Anerkennung einer neuen „Grünalternativen Jugend“ wirkte hingegen ein bisserl aus dem Hut gezaubert — wer diese jungen Leute sind und was sie repräsentieren und ob sie überhaupt willens sind, die „Erwachsenenpartei“ zu fordern, wie es sich für eine anständige Jugendorganisation gehört und wozu sie der Name der alten „GAJ“ wohl auch verpflichtet, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle sorgte der Vorstellungsevent für gute Laune auf der Landesversammlung — was wohl auch der eigentlich Zweck war.

Nachdem man die Medienvertreter bei den wichtigen Debatten hinausgeschickt hatte, ist man aber natürlich auf Hörensagen der Beteiligten angewiesen. Auch wie die beschlossene Form des Leitantrags dann konkret im Wortlaut ausgesehen hat, war auch jetzt bis Redaktionsschluß nicht eruierbar — immerhin: man will sich „erneuern“, soviel ist klar. Ob man sowas per Parteitagsbeschluß machen kann, ist natürlich fraglich, doch die Ansätze, jetzt einmal in Arbeitsgruppen generell die gesamte Struktur in Frage stellen zu wollen, ist zumindest vielversprechend.

Interessant sind in diesem Zusammenhang informelle Statements im Vorfeld und jene Anträge, die zwar gestellt, aber mit dem Versprechen, sie im Leitantrag und im darauf folgenden Diskussionsprozeß zu berücksichtigen, dann doch zurückgezogen wurden. Nein, der im Vorfeld medial so ausgebreitete Antrag auf Absetzung der Chefin ist da nicht gemeint — daß der durchgehen würde, war ja auch nicht zu erwarten. Ein Mißtrauensvotum, das nicht mal konstruktiv ist, also keine Alternativen anbietet, kann nicht durchgehen. Dazu kommt, daß man ja auch noch auf einen Koalitionspartner, der selbst gerade nicht weiß, wohin er eigentlich will, Rücksicht nehmen muß. Von der sozialdemokratischen Treue zum Vorsitz, die ja auch bei den Grünen herrscht, brauchen wir da gar nicht zu reden. Man stelle sich vor: Ein Parteitag endet mit dem Beschluß, ohne faktische Vorsitzende dazustehen — auch wenn es nur darum ging, die Vizebürgermeisterin, die formal ja keine Parteichefin ist, aufzufordern, sich aus ihrer Funktion zurückzuziehen. Der Antrag wurde dann auch zugunsten einer Vertrauensabstimmung zurückgezogen. Daß unter diesen Bedingungen allerdings doch ein Viertel der Anwesenden nicht das Vertrauen aussprechen konnte, macht klar, daß die Tage der Vizebürgermeisterin in dieser Funktion gezählt sind.

Hintergründiges

Viel spannender als dieser halb gelungenene Königinnenmord sind andere Statements. Zum Beispiel dieses: „Mit dem Wachstum der Grünen Bewegung wuchsen auch die Widersprüche. Unser Anspruch an Politik lässt sich manchmal schwer mit dem Regierungsdenken in Koalitionen zusammenbringen. Wir sind Kompromisse eingegangen, um in sechs Landesregierungen gestalten zu können und auch, um dort rechte Mehrheiten zu verhindern. Dabei hat unsere Grüne Politik Ecken und Kanten verloren, ist mit Projekten unserer Koalitionspartner_innen verschwommen, hat nach innen gewirkt und nach außen oft irritiert sowie ein enges Organisationsnetzwerk etabliert, in dem wir beratungs- und kritikresistent wurden. Keine Frage: Wir müssen das anders und besser machen.“ So schreibt der Landessprecher in der Einladung zur Landesversammlung. Intern zirkulierende Papiere waren da noch viel deutlicher. Da ist davon die Rede, daß man die Grundlagenarbeit und Diskussionsfähigkeit zugunsten von Marketing und „Professionalisierung“ einfach gekübelt hat.

Ein weiterer — zugunsten des Leitantrags zurückgezogener — Antrag fordert ein „Monitoring“ der Arbeit der Abgeordneten und FunktionärInnen sowie eine „Legitimationsverpflichtung“ und zwingendes Feedback an die Basis. Wenn man das liest, merkt man, daß der Verfasser Vorstellungen eines imperativen Mandats vertritt — auch wenn man das natürlich explizit nicht so nennt.

Der Einfluß solcher Statements ist nicht zu unterschätzen — sie formal zu beschließen ist da gar nicht notwendig und war wohl auch gar nicht beabsichtigt.

Umweg Deutschland

Noch mehr über die Bande allerdings spielte Christoph Chorherr. Der blogte kurz vor der Landesversammlung etwas zu den Koalitionsverhandlungen in Deutschland. Den deutschen Grünen schlägt er vor, statt Koalitionsverhandlungen mit Regierungsübereinkommen lediglich Verhandlungen über eine Unterstützung einer Regierung zu führen, die sich dann im Parlament ihre Mehrheiten suchen müßte — das würde schließlich auch den Parlamentarismus stärken, so Chorherr. Wenn ein österreichischer Landespoltiker sowas schreibt, meint er aber wohl eher den abrasiven Effekt, den die Grünen in österreichischen Bundesländern erleiden, wenn sie in Koalitionen sitzen — hier geht es um die Vorstellung eines Königsweges um mitzuregieren ohne nennenswerten Profil- und Substanzverlust. Nicht zuletzt die Wiener Grünen sind da der Adressat — auch, weil man ja nicht weiß, wohin sich denn der hiesige Koalitionspartner in Hinkunft wenden wird.

Es tut sich also etwas in der Partei — zumindest in der Wiener Landesorganisation. Die Bundespartei verharrt ja nach wie vor in Schockparalyse. Wie sehr die Abgeordnetenklubs eine Partei dominieren, ist ja genau daran abzulesen, daß die Bundespartei ohne einen solchen Klub derzeit gar nicht existent erscheint. Auch das war wohl der jetzigen Wiener Landesversammlung eine Lehre.

Es ist etwas in Bewegung. Und man streitet wieder bei den Grünen. Das ist gut so. Da könnte was Gescheites herauskommen. Möge die Übung gelingen!

Bernhard Redl

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