Was alles möglich ist

Kurz und Strache sind nicht einfach nur rechts. Sie betreiben auch eine sehr originelle Personalpolitik.

(Leitartikel akin 3/2018)

Sex and Crime geht immer. Als 2009 die Richterin Bandion-Ortner, die sich lediglich wegen des BAWAG-Prozesses und ihrer Vorliebe für extravagante Brillen als neue Justizministerin auf einem ÖVP-Ticket empfohlen hatte, ihr Amt antrat, schüttelten viele ihren Kopf. Das soll die neue Chefin im Justizressort sein. Ortners Gegenstrategie: Sie möchte mehr Strafen wegen Kinderpornographie. Weil das kommt ja immer gut. Zwei Jahre später wurde sie im Amt schon wieder abgelöst.

Derlei Vorschläge kommen immer dann, wenn jemand im Amt mit aller Gewalt punkten möchte. So auch jetzt wieder: “Regierung plant höhere Strafen bei Gewalt gegen Frauen und Kinder”, so die Schlagzeilen — von Leuten, die sich mit der Problematik beschäftigt haben, kommt zwar hefige Kritik, aber das ist egal, Hauptsache, dem Boulevard gefällts. Vertreten wird dieser Vorstoß wieder von einer ehemaligen Richterin und jetzigen ÖVP-Politikerin. Staatssekretärin Karoline Edtstadler war ja eigentlich als Aufpasserin im Innenministerium angesehen worden, damit Herbert Kickl dort nicht allzuviel Blödsinn machen kann und damit das dort alles ein bisserl seriöser wirkt. Das hat aber offensichtlich nichts genützt.

Das ist aber auch kein Wunder. Man erinnere sich an eine Geschichte aus dem Jahr 2010. Damals protestierte in Salzburg eine Gruppe von Menschen gegen einen Auftritt der damaligen Innenministerin Fekter. Die Polizei schritt ein und nahm unter anderem ein Brüderpaar fest. In Folge dessen belobigte Fekter diese Polizisten, so als hätten sie sie aus einer wirklichen Lebensgefahr gerettet. Damit war klar, daß Fekter hier ein Exempel an ihren Kritikern statuiert sehen möchte. Das Brüderpaar wurde von der ersten Instanz derart hart bestraft, daß sogar die Staatsanwaltschaft dies überzogen fand, in Berufung ging und ein milderes Urteil forderte — ein bis dato nahezu unerhörter Vorgang. Die Richterin in diesem Prozeß war Karoline Edtstadler. Damit empfahl sich die damals noch sehr junge Richterin der ÖVP für höhere Weihen, wechselt bald ins Ministerium und war dann Referentin von Justizminister Brandstetter. So wird man dann halt auch Staatssekretärin. Und in diesem Lichte muß man auch ihre jetzigen Statements verstehen.

Immer noch Wahlkampf?

Eigentlich wäre die Verkündung einer Strafrechtsnovelle ja Angelegenheit von Josef Moser als Justizminister gewesen. Aber der laboriert ja noch an der Tatsache, daß sein ebenso krone-tauglicher Vorstoß für ein Tabula-rasa-Gesetz nicht ganz so einfach umsetzbar sein wird, will er nicht die Rechtsstaatlichkeit im Land generell kübeln. Also blieb es an der Innen-Staatssekretärin hängen, die neueste Errungenschaft zu verkünden.

Diese Regierung ist grandios im Überschriftenmachen. Man will da das totale “Speed kills” durchziehen wie schon anno dazumal das Kabinett Schüssel I. An den Folgen dieser Regierung knabbert die Republik bis heute. Nur: Damals war dieses Feuerwerk an unausgegorenen Ideen noch irgendwo verständlich: Die Legitimation der Regierung war eine höchst wacklige, die der Kanzlerschaft Schüssel nicht einmal ansatzweise vorhanden. Kanzler Kurz hingegen führt die manadatsstärkste Partei an und die Koalition hat beinahe eine Verfassungsmehrheit im Nationalrat. Die großen braunen Flecken in der FPÖ gefährden auch nicht wirklich die Regierung — daß die NS-Nostalgie in dieser Partei besonders gepflegt wird, ist nunmal nicht gerade eine brandneue Entdeckung. Und trotzdem hat man dem Eindruck, die Regierungsparteien haben nach dem 15.Oktober nicht aufgehört, Wahlkampf zu machen. Diesen Eindruck verstärkte auch jüngst Norbert Hofer. Der beschwerte sich über Facebook, daß der ORF beim Münchner Transitgipfel in der ZIB 1 “den Verkehrsminister” (also ihn selbst) nicht erwähnt hatte. Und knüpft daran auch gleich, daß er gegen “Zwangsgebühren” sei.

Und jetzt noch der VfGH

Noch viel verheerender aber ist, was sich derzeit in Fragen der Verfassungsrichter abspielt. Der Gerade-eben-noch-Justizminister soll neuer Verfassungsrichter werden. Einmal abgesehen davon, daß manche Vorschläge Herrn Brandstetters als Minister seriösen Verfassungsrechtlern oft als eher bedenklich erschienen sind, ist schon davon auszugehen, daß ein solcher Verfassungsrichter in gut der Hälfte der Sessionen sich befangen erklären müßte, weil es um Reformen aus seiner Zeit als Minister geht. Von den Reformen, die seine frühere Referentin Edtstadler dann auf den Weg gebracht haben wird, reden wir dabei noch gar nicht einmal.

Auch die lustigen Burschis, die die FPÖ im VfGH unterbringen will, zeugen nicht gerade davon, daß diese Regierung den Anschein von Seriosität vermitteln möchte. Dabei geht aber noch eine andere problematische Bestellung unter, nämlich die des neuen Vizepräsidenten. Der hat zwar einen ausgezeichneten Ruf als Jurist, aber auch eine spezielle Geschichte. Christoph Grabenwarter wurde nämlich 2005 von der Regierung Schüssel II in den VfGH berufen. Kaum ist wieder Schwarzblau am Ruder, macht man den bisherigen WU-Professor zum Vize des Höchstgerichts — und zwar mit dem Versprechen, daß er 2020 Präsident wird. Dann wird er aber erst 54 sein — und dann voraussichtlich 16 Jahre lang VfGH-Präsident. Da sieht man dann schon, was diese Regierung so unter Nachhaltigkeit versteht.

Und so geht das die ganze Zeit — erinnert sei daran, daß die ÖVP zuerst Elisabeth Köstinger als Nationalratsneuling zur Präsidentin machte, um sie kurze Zeit später durch den bisherigen Innenminister, bekannt als Mann fürs Grobe und vor 2017 auch nicht im Nationalrat, zu ersetzen. So geht diese Regierung mit den höchsten Ämtern des Staates um.

Ja, könnte man sagen, was hat man sich auch von so einer Regierung erwartet? Es ist ja an sich schon ein Skandal, daß diese Parteien nach den Erfahrungen mit den Diktaturen in diesem Land überhaupt noch in österreichischen Herrschaftsgremien irgendwas zu sagen haben. In Wirklichkeit beruht der real existierende Republikanismus in Österreich ja nur auf Übersetzungsfehlern — freiheitliches Bürgertum ist bei uns nur neoliberale Bourgeoisie. So ist das Wort Norbert Hofers, daß wir uns “noch wundern werden, was alles möglich ist”, in Wirklichkeit zu verstehen.

Bernhard Redl

Ein Gedanke zu „Was alles möglich ist

  1. Warum ist der ÖVP/FPÖ die Strafverschärfung für Sexualdelikte so wichtig?
    Der Subtext ist „Die AUSLÄNDER vergewaltigen UNSERE Frauen“!

    Das Thema ist auch eine gute Nebelgranate hinter der die Verfassungsrichter-Frage und viele andere „Projekte“ der Regierung gut versteckt werden können (s. obigen Artikel)

    In Wirklichkeit finden die meisten Sexualdelikte im familiären Umfeld statt. Deshalb wird der überwiegende Anteil nicht angezeigt. Die Frauen fürchten erniedrigende Einvernahmen und Gerichtsverfahren sowie wenig Möglichkeiten vor den Tätern später geschützt zu werden.
    Aber der Ruf „Strengere Strafen“ klingt in vielen Ohren gut, bringt Zustimmung in den Boulevardmedien, Wählerstimmen und verstärkt das autoritäre gesellschaftliche Klima.

    Noch dazu kostet die Verschärfung des Sexualstrafrechts kaum Geld, im Gegensatz zu Präventionsmaßnahmen und wirksamen Schutzmaßnahmen für Frauen.(Z.B. Frauenhäuser, Kindergärten, Vollzeitarbeitsplätze für Frauen – wo es Frauen leichter möglich wird aus unerträglichen „Beziehungen“ auszusteigen, verpflichtende Resozialisierungsmaßnahmen für Täter etc.)

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