Aufmerksamkeitsökonomie in einer Nußschale –
Jetzt war ich auch einmal eine Viertelstunde berühmt. Oder besser: 24 Stunden einem Teil der massenmedialen Öffentlichkeit namentlich bekannt. Sowas ist schon spannend.
Für alle, die es doch nicht mitgekriegt haben: Ich habe mir den Spaß gemacht, das grüne Spitzenkandidatur-Brimborium zu persiflieren, in dem ich selbst eine Kandidatur eingereicht habe – natürlich mit einem provokanten Text, quasi einer Provokation zur Provokation. Mein Anliegen war, die Grünen dazu aufzurufen, sich einerseits nicht mehr ständig von allen zu distanzieren, was als bürgerschreckend begriffen werden könnte, und andererseits auch wieder Forderungen zu erheben, die ein bisserl radikaler und eben provokant sind. Und ich wollte ihnen vor Augen führen, welch ein geschmäcklerischer Unfug ein solches Vorwahltheater ist.
Wie absehbar war, stürzten sich die meisten Medien (u.a. „Der Standard“ und das Ö1-Journal-Panorama des ORF) auf das von mir verwendete Reizwort „Haschtrafiken“ — überraschenderweise tat das die „Krone“ nicht, sondern zitierte mich als Forderer von Gratis-Öffis. Die nutzte meine Kandidatur und die eines Ex-Bundesheerlers mit reichlich militaristischem Vokabular, um die Bandbreite der unbekannten Kandidaturwerber darzustellen.
Offensichtlich war die Medienarbeit der grünen Partei in den letzten Wochen sehr intensiv hauptsächlich auf dieses Kandidatur-Spektakel ausgerichtet. Der mediale Impact einer Kampagne, die sich nur um die Vorwahl einer Kleinpartei zu einer nicht mal unmittelbar bevorstehenden Regionalwahl drehte, war angesichts der geringen Bedeutung der Angelegenheit enorm. Aber natürlich war auch das dramatische Element, daß das Wohl und Wehe einer Partei, die immerhin seit drei Jahrzehnten zum Inventar der österreichischen Innenpolitik gehört, jetzt vom Auftreten der Wiener Landespartei abzuhängen scheint, Grund, das doch etwas ernster zu nehmen. Weiters hat natürlich auch ein politischer Wettbewerb um eine relevante Position bei einer Partei, der vielleicht ausnahmsweise nicht ausgehen könnte wie das Hornberger Schießen, auch seinen eigenen exotischen Appeal. Fußballmatches sind ja auch nicht deswegen so beliebt, weil das Runde ins Eckige soll, sondern weil man am Anfang nicht weiß, wie es ausgeht — selbst wenn man nicht zu einer der beiden Mannschaften hält.
Auf dieser medialen Welle bin ich also mitgeritten. Natürlich sind Außenseiter, denen kein vernünftiger Mensch Chancen ausrechnet, wenig spannend — außer sie sind ein bisserl schrill. Auch hier also wieder der Appeal des Exotischen.
Demokratie als Fun-Event
Ja, vanitas vanitatum, ich hab mir das alles im Netz angeschaut. Wenn es nach dem Standard.at-Forum ginge, wäre ich haushoher Favorit — selbst wenn man jene Hälfte der Wahlempfehlungen für mich wegließe, die wohl sarkastisch gemeint gewesen sein dürften. Das wird sich aber nicht in den Unterstützungserklärungen niederschlagen. Denn gerade darin beweist sich der Fehler in der grünen Strategie: Nur weil sie mit ihrer Kampagne wieder mehr vorkommen, heißt das noch lange nicht, daß deswegen die Partei als solche wieder mehr Leute anzieht. Wer im Standard kommentiert, beteiligt sich noch lange nicht an dem Vorwahltamtam. Und wer sich doch daran beteiligt, beteiligt sich noch lange nicht an der politischen Arbeit. Christoph Chorherr jubelte letzten Mittwoch, schon über 1000 Wahlwillige hätten sich angemeldet — doch wieviele davon haben sich da einfach nur für 15 Euro ein Event-Ticket gekauft? Und besteht nicht die Gefahr, daß diese Polittouristen eine Person auf den Schild heben, mit der die Aktiven in der Partei mehrheitlich nichts anfangen können? Denn auch hier stellt sich die Frage nach dem Spaß-Faktor: Werden die jetzigen Wahlwilligen sich an den Wahlkampfveranstaltungen beteiligen, wenn es um den Landtag geht? Wohl eher nicht. Und wenn die Wahlen erst zum regulären Termin im Herbst übernächsten Jahres stattfinden, wird die ganze inszenierte Aufregung vergessen sein — außer Spesen nichts gewesen.
Zurück zu meinem Akt der Kommunikationsguerrilla. Sicher er war völlig bedeutungslos angesichts der grauenvollen politischen Realität, aber man muß sich auch mal was gönnen. Ehrlich, meinen Spaß habe ich wirklich gehabt. Stundenlang durch die Foren von Krone und Standard surfen und dabei irre kichern können — das wars wert.
Interessant waren aber die Debatten, die ich da in meiner Facebook-Blase und im wirklichen Leben führen konnte — einerseits gabs da die Kritik, ich würde den Grünen mit meiner Persiflage einer Kandidatur schaden; zum anderen aber auch, daß es schon seltsam wäre, wenn ich mir erhoffte, irgendwie Einfluß darauf nehmen zu können, daß die Grünen wieder zurück zu ihren AL-Wurzeln finden könnten.
Über beides habe ich lange nachgedacht. Meine Conclusien? Nun, es ist sicher naiv von mir, die Grünen wieder auf den linken Pfad der Tugend zurückführen zu wollen — aber ist Naivsein so schlecht? Weil: Als Linke wollen wir doch immer noch die neue Welt bauen oder zumindest die Welt verbessern. Wir hoffen, irgendwann einmal den herrschaftsfreien Sozialismus zu erreichen — und das auch in Zeiten wie diesen, wo der politische Zug in die Gegenrichtung dampft. Aber die Hoffnung, die Grünen wieder zu Alternativen machen zu können, soll realitätsfremd sein? Wo bliebe denn da das Bewußtsein, daß man auch Chancen nutzen muß, die man nicht hat?
Die erstgenannte Kritik geht völlig ins Leere. Weil gerade meine Travestie einer Kandidatur gut war für die Grünen bei ihrer Kampagne — dadurch, daß ich kandidierte, habe ich den Grünen die Möglichkeit gegeben, mich überhaupt als Kandidaten zu akzeptieren. Erst dadurch werden aber die geringen Hürden bei diesem Verfahren erkennbar und damit dieses legitimiert. Hingegen ein als demokratisch verstandenes Procedere, dessen Proponenten hohe Hürden aufbauen, um sich nicht in die Parade fahren zu lassen (siehe Mindestprozentklauseln bei Nationalrat und Landtagen), deligitimiert sich selbst. Insofern habe ich diese Kampagne, die ich doch so kritisiert hatte, sogar ungewollt unterstützt; Scheiße, das hätte ich mir früher überlegen sollen!
Fade Politik
Wie dem auch sei, eine weitere Lehre ist aus dieser Geschichte schon auch wieder zu ziehen: Das größte Interesse in politischen Angelegenheiten rufen Personalia hervor, nicht inhaltliche Forderungen. Das WER ist wichtig, weniger das WAS. Deswegen wiegt ein smartes Auftreten vor der Kamera an der Wahlurne auch so viel mehr als ein dickes Parteiprogramm. Und spätestens seit Eva Glawischnig in einem ORF-Interview die Cannabis-Legalisierung selbstherrlich aus dem beschlossenen Parteiprogramm gefegt hat, ist klar, daß derlei Beschlüsse wirklich nur dazu taugen, in gedruckter Form einen Tisch vom Wackeln abzuhalten. Als Peter Pilz vor der letzten Nationalratswahl nach einem Programm für seine neue Partei gefragt wurde, gab er zur Auskunft, seine Kandidaten seien das Programm. Was in vielen Ohren klang wie eine Ausrede für ein inkohärentes Weltbild, kann aber auch so gesehen werden, daß dies nur die Erkenntnis der völligen Belanglosigkeit von proklamierten Programmen in unserer Zeit ist.
Das aber hat die immer wieder bedauerte Beliebigkeit unserer Parteien zur Folge — eine jede scheint eine Catch-All-Party sein zu wollen. Politische Aussagen kommen nicht mehr aus inhaltlichen Überzeugungen, sondern werden getätigt, um thematische Nischen zu besetzen, doch vorsichtig genug, um nicht potentielle Wählerschichten zu vergrämen. Dies bringt das wahlberechtigte Publikum auf Dauer naturgemäß zum Gähnen. Die Reaktion in den Parteien darauf kann aber nicht sein, vielleicht wieder kantiger zu werden, weil ihnen das ganz schnell von den Politikberatern wieder ausgeredet würde. Wenn schon Erneuerung, dann eben nicht inhaltlich, sondern über das Personal, am besten mit der nächsten oder sogar übernächsten Politikergeneration. Das brachte einen Sebastian Kurz hervor und das bringt einem Peter Kraus nun Chancen bei den Grünen.
Diese Frustration über den Einheitsbrei in der Politik schickte aber auch einen Jon Gnarr ins Bürgermeisteramt von Reykjavik. Und es sorgte dafür, daß ich einen Tag ein bisserl prominent war. Das war sehr schön und hat mich sehr gefreut. Fortsetzung folgt nicht. Danke für die Aufmerksamkeit.
Bernhard Redl