Kurz schütze Österreich

(31.3.2020) „In der Schwäche zeigt der 33-Jährige wieder seine Stärke als oberster Krisenmanager. Nicht nur im schnellen Erfassen, der Planung und Umsetzung der drastischen Maßnahmen weit vor allen anderen sondern auch in seiner verlässlichen Kommunikation und seiner Überzeugungskraft. Beides ist essentiell im Kampf gegen eine Epidemie, den die Bevölkerung mittragen muss.“

kurz-krone-coverFührer, plane, wir folgen dir! Der Kanzler trägt, wir müssen nur mittragen. Oder so. Diese Lyrik entnehmen wir der Schilderung von Edda Graf in ihrer Kronenzeitungs-Rubrik mit dem Titel „Menschen“. Beim Gesalbten an der Spitze der österreichischen Regierung genauso wie der Coronafront sollte diese Abteilung aber vielleicht besser „Übermenschen“ heissen.

Die Deutschen beneiden uns ja schließlich auch um ihn: „Das auflagenstarke deutsche Massenblatt ‚Bild‘ titelte über Kurz: ‚So einen brauchen wir auch!‘, und nennt ihn ‚Corona-Klartext-Kanzler‚.“ Einmal abgesehen davon, daß ein „auflagenstarkes Massenblatt“ ein doppelt gemoppelter „weisser Schwan“ ist, ist es schon ein wenig bedenklich, wenn der deutsche Boulevard schon wieder einen Kanzler aus Österreich haben möchte. Ich hätte gedacht, die hätten noch genug vom letzten Mal.

Damit die komplette Speichelleckerei auch eine möglichst große Verbreitung hat, war das natürlich in der Sonntags- sprich Gratis-Ausgabe der Krone zu lesen. Die Krone-Bunt mußte dazu selbstverständlich auch formatfüllend den Bundesbasti aufs Titelblatt heben — Headline „Der Krisenmanager“, darunter: „Ein Blick hinter die Kulissen“. Wäre das wirklich ein solcher, hätte aber Frau Graf aber wohl irgendwen anderen portraitieren müssen.

Ja, dieser Personenkult um den größten Bundeskanzler seit Neunzehnhundertfünfunvierzig (Gröbukaseineun) ist allumfassend. Selbst von ministerieller Seite ist man sich nicht zu schade, dem Gesalbten zu huldigen. Elisabeth Köstinger meinte via Social Media verbreiten zu müssen: „Danke, Sebastian Kurz, was du für unser Land und die Menschen in dieser schwierigen Zeit leistest.“ Man ist versucht zu fragen: „Wos wor sei Leistung?“

Im ORF ist er sowieso dauerpräsent — das war schon vor Corona so, man erinnere sich etwa an das hagiographische Portrait zu seinem zweiten Antritt als Bundeskanzler oder an jede verdammte ZiB seit gefühlt Eigentlich-eh-schon-immer, aber jetzt geht ohne den Gesalbten gar nichts mehr. Am Montag bekam er eine dreiviertel Stunde für seine Blut-Schweiß-Tränen-Ausführungen. Was für ein Staatsmann, da stinkt ja sogar der Figl mit seiner Weihnachtsansprache 1945 ab!

heiliger_tanguy
Nein, der schaut nur so aus. Das ist Sankt Tanguy von Locmazhé, ein Mönch aus dem 6.Jahrhundert.

Wenn das alles vorbei ist, so um 2040 herum, wird wahrscheinlich die Pestsäule am Graben durch ein Standbild des bereits zu Lebzeiten heiliggesprochenen Sebastian dem Kurzen ersetzt werden müssen. Schließlich hat er sich diese Danksagung verdient, da hat die Ackerbauministerin wirklich recht.

Mario Czerny
(aus akin 08a/2020)

 

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