Die Arzneimittelzulassungsstellen riskieren mit der Coronakrise gerade ihren guten Ruf
[aus akin 19, 21.Oktober 2020]
Manchmal muß man wirklich den Eindruck gewinnen, die hohe Politik will es den Verschwörungstheoretikern und Impfgegnern möglichst leicht machen. Nein, natürlich werden auch weiterhin keine RFID-Chips verimpft und die Impfungen dienen auch nicht dazu, die Bevölkerung steril zu machen und autistisch wird man davon ebenfalls nicht. Aber seriöse Pharmapolitik sieht auch anders aus.
Befeuert durch Aussagen unseres Bundesmaturanten wie auch weltweit vieler seiner Amtskollegen, daß ein normales Leben erst mit der Ausgabe eines Impfstoffs möglich sein wird, wird derzeit ein bisserl verdächtig viel beschleunigt in den Zulassungsverfahren. Während früher galt, daß ein solches Verfahren erst nach Abschluß aller Studien gestartet könne, setzt jetzt unter anderem die Europäischen Arzneimittelagentur EMA auf „Rolling Reviews“, also daß mit einem Zulassungsverfahren begonnen wird und die erhobenen Studiendaten jeweils aktuell während des laufenden Verfahrens nachgeliefert werden.
Man muß kein Mediziner sein, um sich der Gefahr bewußt zu werden, daß die Qualität dieser Verfahrens leiden wird. Dazu kommt aber noch, daß nicht nur die Impfstoffe, sondern bisweilen auch die Impfansätze selbst experimentell sind. Seit Anfang Oktober sind drei Impfstoffe in diese EMA-Verfahren aufgenommen worden, wo aber nur einer ein klassischer Aktiv-Schutz auf der Grundlage von Schimpansen-Viren ist, während die anderen beiden RNA-basiert sind, also auf Genfähren setzen. Experimente mit solchen RNA-Impfstoffen gibt es schon seit 30 Jahren, aber nie schaffte es irgendein Präparat gegen Influenza, Tollwut oder gar Krebs bis zur Zulassung irgendwo auf der Welt. Und jetzt soll ein solcher Impfstoff im Eilverfahren Wirksamkeit und Sicherheit bescheinigt bekommen?
Es hat gute Gründe, warum auch dringend benötigte neue Impfstoffe genau und in langwierigen Verfahren untersucht werden. Und es hat wohl auch Gründe, warum RNA-Impfstoffe bislang an diesen strengen Kriterien scheiterten.
Wenn das jetzt so durchgeboxt wird, weil Politik und Kapital möglichst schnell wieder zum normalen Leben zurückkehren wollen, bringt das nicht nur gesundheitliche Gefahren mit sich, sondern es wird auch enormer Kampagnen bedürfen, um die Seriosität dieser Impfstoffe glaubhaft zu machen. Und trotzdem wird wohl die Zahl der Impfverweigerer jener bei bisherigen Präparaten bei weitem übersteigen. Die Folgen könnten sein, daß einerseits die Impfskepsis auch bei nachgewiesenermaßen wirksamen und sicheren Impfstoffen gegen andere Krankheiten ansteigen wird und andererseits die Debatten um eine Impfpflicht befeuert werden. Ersteres könnte uns eine Rückkehr längst überwunden geglaubter Infektionen bringen, letzteres ein neuerliches Ausrasten der Staatsgewalt.
Das kann eigentlich niemand wollen. Außer vielleicht den Verschwörungstheoretikern, die sich dann bestätigt fühlen und auch wieder mehr Zulauf bekommen.
Bernhard Redl
Zum Weiterlesen:
https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Corona–Ein-genbasierter-Impfstoff-solls-richten
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/zweiter-corona-impfstoff-wird-ueberprueft-120924/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ema-beginnt-mit-der-beurteilung-120841/
https://de.wikipedia.org/wiki/RNA-Impfstoff inclusive der dort angeführten Quellen
Nachtrag am 1.November 2020:
Ungarns Ministerpräsident verkündete ausgerechnet zu Allerheiligen, Ungarn könnte seine erste Lieferung des Impfstoffs gegen Covid-19 Ende Dezember oder Anfang Januar erhalten. In einem Interview mit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Kossuth Rádió sagte Orbán, dass diejenigen, die an chronischen Krankheiten leiden, und die ältere Bevölkerung, die für das Virus am anfälligsten ist, um Januar herum geimpft werden könnten. Massendosen des Impfstoffs werden voraussichtlich im April eintreffen, fügte er hinzu.
Wenn ausgerechnet Viktor Orban sich da so sicher ist und er sogar recht behalten sollte, drängt sich die Frage auf, wie einerseits sicher und andererseits wirksam dieser Impfstoff sein kann.