Wenn Beamte höflich sind. Brief einer Arbeitslosen.
Das AMS (Arbeitmarktservice Österreich) hat mir einen Brief geschrieben. In fetten Buchstaben steht da der Betreff: „Service für Arbeitskräfte, Einladung zur telefonischen Beratung“.
Ein Service! Eine Einladung! Das klingt auf den ersten Blick wie ein Vorschlag auf einer Speisekarte. Sie können, wenn Sie wollen, doch bei uns speisen. (In jeder Werbebroschüre des AMS kann man nachlesen, mit welch vielfältigen Angeboten man beglückt werden kann.)
„Wir laden Sie zu einer telefonischen Beratung ein“. Mir wird ein Datum und eine Uhrzeit mitgeteilt und: „Wir rufen Sie zu diesem Termin an, seien Sie erreichbar! Bitte sorgen Sie für eine störungsfreie Umgebung und einen aufgeladenen Akku.“ Ja, „seien Sie erreichbar“ mit einem Rufzeichen hintendran.
Jetzt frage ich mich schon, ob ich es hier mit einer Einladung oder einem Befehl zu tun habe. Da kann ich nur sagen: Jawolll,
Drill-Sergeant! Wenn ich aufmucke, verliere ich das Arbeitslosengeld. Das brauche ich aber, um überleben zu können. Ich werde nicht aufmucken, ich werde Habt-acht stehen, ich befinde mich in der Position der abhängigen Person, die sich, um leben zu können, auch so einen Tonfall gefallen lässt. Jawohl, Herr General.
Ich muss jetzt dem General zu Gute halten, dass ich eh nicht zu einem Appell gegen fünf Uhr morgens gebeten wurde. Meinetwegen wäre aber der AMS-Bedienstete trotz Diensteifers sowieso nicht so früh aufgestanden.
Eine Anregung möchte ich dennoch anfügen, die ich mir in meinem bevorstehenden Telefonat mit jemandem vom AMS nicht nehmen lassen werde: Ich möchte darauf verzichten, dass mir eine Verpflichtung als „Einladung“ zukommt; ich möchte darauf verzichten, dass mir gesagt wird, wenn ich nicht brav mein voll aufgeladenes Telefon abnehme, dies schon ein Problem wäre; ich möchte Ehrlichkeit.
Der Ton macht die Musik. „Seien Sie erreichbar“, Rufzeichen. Ja. Ich denke an Erniedrigung, Demütigung und daran, dass es noch immer nicht aufgehört hat, dass sich Menschen über andere erhöhen. Ich denke daran, dass es auch ausserhalb des Bundesheeres Menschen in Beamtenform gibt, die selbstgefällig, sich selbst gefallend, an andere Menschen herantreten, weil sie das dürfen. Der Staat, ein Amt gibt ihnen die vermeintliche Macht über Menschen. Ein Mensch, der seine
Geldangelegenheiten über das AMS gestalten muss, wird nicht
„eingeladen“, er/sie steht in einem Abhängigkeitsverhältnis einer Institution, aber letztlich einer Person gegenüber, die sich im schlimmsten Fall darauf zurückziehen kann, zu sagen: ‘Ich hab ja nur meinen Job gemacht, als ich Ihnen Ihre Bezüge gestrichen habe’.
Es gibt arbeitssuchende Menschen, die Personen gegenüber stehen, die die Macht haben, darüber entscheiden zu können, ob Geld ausbezahlt wird, daß das Überleben eines anderen Menschen garantiert. Oder auch nicht. Zuckerbrot und Peitsche. Und nicht Menü oder à la carte.
rosalia krenn