Attentäter sind die besseren Staatsdiener

Vor 32 Jahren in der akin, der Silvesteranschlag 2021 und so einiges Anderes (aus akin 1/2022)

Der Brandanschlag auf eines der Anti-Stadtstraßen-Camps hat schockiert. Schockierender war nur noch die Reaktion des Wiener Bürgermeisters mit seiner Andeutung “daß ein rechtsfreier Raum in einer Stadt kein Vorteil” sei — mit anderen Worten: ‘Gschiecht denen scho recht, des haums jetzt davon’!

Diverse Alternativprojekte und Besetzungen haben aber schon seit jeher sich nicht nur vor der Polizei fürchten müssen. Auch Brandanschläge gab es immer wieder — so 1977 beim sich gerade entwickelnden Kulturzentrum am Konstantinhügel im Prater oder 2013 auf die Wagenburg Gänseblümchen. Das was diverse Bürgerwehren so unter Recht verstehen, das sie in die eigene Hand nehmen wollen, ist oft genug aber sehr wohl von der hohen Politik angestachelt — die Klagsdrohungen gegen Besetzer und Unterstützer der Lobaubleibt-Initiative sowie die massive Propaganda-Schiene, die da natürlich von Wiens unnötigster Stadträtin gefahren wird, hat schon für die passende Stimmung gesorgt. Derlei erinnert nicht umsonst an den Versuch der Gewerkschaft Bau-Holz 1984, Bauarbeiter als Hilfspolizisten in die Hainburger Au zu beordern.

Zu diesen Zeiten hatte die Politik nämlich noch nicht einmal einen Genierer, offen zu Gewaltakten aufzurufen. Ein akin-Cover von vor ziemlich genau 32 Jahren macht das deutlich — es zeigt eine zerstörte Holzbehausung, sehr ähnlich den Bildern, wie wir sie jetzt von der Hirschstettener Straße gesehen haben.

Damals wurde die Baustelle eines Murkraftwerks in der Fischinger Au in der Obersteiermark besetzt. Mitte Dezember 1989 tauchte in der Nacht eine Bürgerwehr mit Elektro-Schlagstöcken und Strumpfmasken auf, um die Besetzer aufzumischen — obwohl in der Gegend, wo jeder jeden kennt, wohl auch der Polizei klar gewesen sein mußte, wer die Täter sein dürften, wurde nie deswegen irgendwer belangt.

Einen Monat später um 6 Uhr morgens fingen Bauarbeiter an, ohne Vorwarnung der drinnen noch schlafenden Menschen, deren Unterstand einzureissen. Nur um Haaresbreite verfehlte eine durch die Wand schlagende Spitzhacke den Kopf eines Besetzers. Um das Ganze abzusichern stand daneben eine gut zwei Dutzend Mann starke Abteilung der Gendarmerie. Diese schritt nicht einmal ein, als die Bauarbeiter andeutenden, auf die Besetzer mit laufenden Kettensägen losgehen zu wollen. Rechtliche Folgen hatte dieser lebensgefährliche Angriff daher natürlich auch nicht.

Nur war das damals abgelegen mitten im Wald in einer einsamen Gegend ohne Zeugen und auch ohne überregionalen medialen Interesse, schon gar nicht wie in Hainburg von ORF und Kronen-Zeitung. Die Welt starrte da gerade auf den zerbröselnden Ostblock, mehr noch als heute auf Corona.

Die Zeiten mögen sich geändert haben, aber es ist noch etwas Anderes, daß beim jetzigen Silvesteranschlag in der Donaustadt doch die Polizei (wie ernsthaft, wird sich noch zeigen) diesen Angriff untersucht: Die Besetzungen haben ein enormes Medienecho und dabei auch sehr viel öffentliche Sympathie, die der SPÖ-Propaganda zumindest ein starkes Gegengewicht setzt. Da kann so ein Angriff nur nächtens und anonym passieren, denn eine Mehrheit, die eine lebensgefährliche Attacke goutieren würde, gibt es nicht einmal in Österreich, geschweige denn in Wien.

Die Klagsdrohungen und der Anschlag mögen einige Stadtstraßengegner tatsächlich eingeschüchtert, die allgemeine Stimmung aber wohl eher für sie verbessert haben. Denn solche Geschütze gehen oft nach hinten los, wenn einmal eine große Öffentlichkeit davon erfährt.

Bernhard Redl


Ja, und nach Redaktionsschluß der Druckausgabe wurde uns noch das in die Timeline gespült, fast wie zur Bestätigung:

Statement vom 6.Jänner 2022, wenige Stunden später wieder gelöscht.

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