Kommunikationsfallen

Die Sache mit der Quantität und der Qualität in der Corona-Berichterstattung
[aus akin 4/2022]

Wie wir vom ORF neulich erfahren durften, gibt es da den Leiter einer Covid-Station in Israel, der zitiert wurde, daß die meisten Patienten in seiner intensivmedizinischen Abteilung Geimpfte wären. Die zitierende Homepage schloß daraus, die Impfung würden nichts nützen oder sogar schaden. Im ORF-Interview macht der Mediziner klar, daß seine Äußerung zwar richtig gewesen wäre, aber die meisten Intensivpatienten nicht wegen Covid ins Spital gekommen wären, sondern wegen anderer schwerer Erkrankungen, sich aber eben auch mit besagtem Virus angesteckt hätten — und nur deswegen auf der Covid-Station landen. Und natürlich wären die meisten wirklichen Covid-Intensivpatienten Ungeimpfte. Er wäre als Arzt jetzt ziemlich erschüttert, daß man seine Aussagen derart benutzt.

Gedacht war der Bericht offensichtlich als Aufklärung, daß man Fake-News-Sites nicht alles glauben darf und diese oft richtige Aussagen aus dem Zusammenhang rissen und in einen neuen falschen Kontext stellten.

Aber herausgekommen ist dabei etwas ganz anderes: Daß die Kritik, die von Anfang an geäußert worden ist, daß man genau zwischen Patienten resp. Verstorbenen MIT dieser Virus-Infektion und wirklichen Corona-Opfern unterscheiden müsse, berechtigt war. Eine solche Unterscheidung ist natürlich nur teilweise möglich, da bei vielen Corona eine bisweilen tödliche Komplikation dargestellt hat. Das war aber viel zu kompliziert und auch kaum im Detail zu erheben, weswegen man damit auch keine statistischen Kurven zeichnen konnte. Also wurden uns in den ZiBs wie beim Wetterbericht täglich eindeutige Zahlen präsentiert, wo bisweilen noch die Formulierung bei der Sterbestatistik war, die Opfer seien “an oder mit” dem Virus verstorben. So korrekt war man mitunter, aber das änderte nichts an der Dezitiertheit und damit Eindringlichkeit der Zahlen. Wundert man sich wirklich, wenn diese Dogmatik Widerspruch hervorruft?

Das ist das Problem mit Statistiken: Man braucht exakte Zahlen auch dort, wo diese nicht zu erheben sind. Und diese nicht ganz sauberen Zahlen verwenden Politiker und deren Experten dann als Argumentations- und Entscheidungsgrundlage, was aber nur solange gut geht, solange man die von diesen Entscheidungen betroffene Bevölkerung sowie andere Politiker und Experten von der Authentizität dieser Zahlen überzeugen kann. Folglich funktioniert das nur so recht und schlecht.

Kaum Schwankungen bei den Intensivbetten

Die Maßnahmen der letzten zwei Jahre wurden immer mit der jeweiligen Auslastung der Covid-Intensivbetten begründet. Die diesbezügliche Statistik wird seit 1.April 2020 geführt. Wir können uns auf dem AGES-Dashboard tagesaktuell ansehen, wie die Auslastung in Prozent der belegten Betten und die absoluten Zahlen an Patienten aussieht — und zwar mit oder ohne Covid. Die Kurve über die ganze Zeit wird aber nur für die Covid-Patienten dargestellt. Will man aber wissen, wieviele Patienten insgesamt entlang der Zeitleiste auf Intensivstationen lagen, findet man keine Kurve.

Das hat wohl zwei Gründe: Der eine ist, daß die diesbezüglichen Zahlen aus Wien nur statistische Ableitungen sind, denn die Krankenhäuser der Bundeshauptstadt liefern keine Daten über Nicht-Covid-Intensivpatienten, daher kann es auch keine belastbaren Daten über ganz Österreich geben.

Der andere ist aber anscheinend, daß die Aussagekraft dieser Kurven eher kontraproduktiv für die Regierungsargumentation wäre. Man sehe sich in Ermangelung einer gesamtösterreichischen Statistik beispielsweise die Zahlen nur aus Niederösterreich an. Diese sind nur schwer zu finden in der Open-Data-Initiative des Bundes, aber sie sind vorhanden. Es ist erstaunlich, was sich da ergibt: Die Belegung der Intensivstationen der NÖ-Spitäler hatten über das ganze Jahr 2021 nur sehr geringfügige Schwankungen, lediglich der Anteil an Patienten mit Covid-Infektionen ging rauf und runter. Mit anderen Worten: Rein quantitativ gab es zumindest 2021 nie Probleme mit den ICUs und die meisten Patienten waren entweder gar nicht oder nur auch wegen Corona auf der Intensivstation.

Qualitativ ist der Unterschied aber sehr wohl vorhanden. Denn es ist natürlich sinnvoll, alle Patienten mit einer Corona-Infektion zu isolieren — egal, weswegen sie im Krankenhaus sind. Deswegen landen die auch unabhängig vom Grund ihrer Hospitalisierung in der Covid-Statistik, was innerhalb der medizinischen Verwaltung auch sinnvoll ist. Die enorme qualitative Mehrbelastung bei den jeweiligen Corona-Wellen liegt in der Notwendigkeit des größeren Aufwands bei Isolierstationen und Infektionsschutzmaßnahmen sowie in häufigeren Ausfällen der Personals, das immer wieder in Quarantäne muß. Aber eben nicht in der schieren Anzahl der belegten Betten.

Leider aber verwendet nicht nur die österreichische Regierung diese Zahlen als Argumentation für die Gefährlichkeit einer Covid-Infektion und die Notwendigkeit der Impfung — und erzeugt dadurch ein komplett falsches Bild, das natürlich geradezu dazu auffordert, in Frage gestellt zu werden. Dieses Bild bricht aber jetzt eben nicht nur wegen der milderen Omikronwelle gerade zusammen.

Wenn man dann eben auch noch in der Absicht, Fake News zu entlarven, berichtet, daß die meisten Patienten auf einer Covid-Intensivstation nur mit, aber nicht wegen Corona dort sind, ist der Schaden in der Kommunikation total und die Glaubwürdigkeit dahin — denn warum sollte das in Österreich anders sein als in Israel, das ja immer das große Vorbild war? Daß dann Landeshauptleute von der gemeinsamen Corona-Linie abspringen, ist weniger in deren ökonomischen Interessen begründet, sondern eher darin, daß sie nicht mehr mit dieser Kommunikationspolitik der Bundesregierung und deren Justamentstandpunkt der Impfpflicht in Verbindung gebracht werden möchten.

Verpönte Theorien

Ähnlich verhält es sich mit den jetzt hauptsächlich in Deutschland geführten Debatten, ob denn die Labortheorie, also die Behauptung, das Virus wäre künstlich in Wuhan erschaffen worden, nicht vielleicht doch in Betracht gezogen werden sollte. Es wurde klar, daß die Ablehnung dieser Theorie eher politische Gründe hatte denn sachliche. Damit ist zwar nichts bewiesen und schon gar nichts über die Gefährlichkeit der Krankheit ausgesagt, aber auch hier ist die Glaubwürdigkeit der vielzitierten und in Fernsehshows herumgereichten Experten schwer geschädigt — und natürlich auch die Virologie als solche in ein schiefes Licht geraten.

Wer sich dann noch wundert, daß wirkliche Fake News eine größere Anziehungskraft haben als die Statements der Regierungen, dem ist da nicht mehr zu helfen.

Bernhard Redl

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