Die geplanten Änderungen in der Straßenverkehrordnung sind zumindest gut gemeint
Prinzipiell ist der jetzt präsentierte Ministerialentwurf einer StVO-Novelle zu begrüßen. Da wurden einige schon lange bestehenden Rechtsbaustellen angegangen zur Verbesserung der Situation des nichtmotorisierten Individualverkehrs. Es war beispielsweise schon wirklich lange notwendig, den Fahrrad-Überholabstand auch exakt zu definieren — bislang mußte man sich da ja mit den Empfehlungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit begnügen, die keine rechtliche Absicherung bedeuteten.
Auch die Mindestbreite für das Freihalten von Gehsteigen, die Möglichkeiten zum Rechtsabbiegen bei Rot für Fahrräder und das generelle Radfahren gegen die Einbahn sowie das Nebeneinanderfahren sind ein ziemlicher Fortschritt.
Allerdings gibt es gerade bei den Fahrradbestimmungen einige Haken. Denn während beim Überholen eben endlich Klarheit herrscht, wird es bei anderen Themen weniger übersichtlich. Wann genau beispielsweise das Fahren neben einem anderen Fahrrad (auch im Unterschied zum Nebeneinanderfahren, was tatsächlich etwas anderes ist) erlaubt ist, wird wohl weder den Rechtsunterworfenen noch der Polizei immer so ganz geläufig sein. In §68 Abs.2 soll es in Hinkunft unter anderem lauten:
“Radfahrer dürfen auf Radwegen, in Fahrradstraßen, in Wohnstraßen und in Begegnungszonen neben einem anderen Radfahrer fahren sowie bei Trainingsfahrten mit Rennfahrrädern nebeneinander fahren. In Fußgängerzonen dürfen Radfahrer neben einem anderen Radfahrer fahren, wenn das Befahren der Fußgängerzone mit Fahrrädern erlaubt ist. Auf allen sonstigen Radfahranlagen und auf Fahrbahnen, auf denen eine Höchstgeschwindigkeit von höchstens 30 km/h und Fahrradverkehr erlaubt sind, ausgenommen auf Schienenstraßen und Vorrangstraßen, darf mit einem einspurigen Fahrrad neben einem anderen Radfahrer gefahren werden, sofern niemand gefährdet wird, das Verkehrsaufkommen es zulässt und andere Verkehrsteilnehmer nicht am Überholen gehindert werden. Bei der Begleitung eines Kindes unter 12 Jahren durch eine Person, die mindestens 16 Jahre alt ist, ist das Fahren neben dem Kind, ausgenommen auf Schienenstraßen, zulässig.”
Auch die Regelung, daß allgemein das Fahren gegen die Einbahn (RgE) möglich sein soll und die Nichtöffnung in Hinkunft die Ausnahme sein soll, ist sicher begrüßenswert, aber mit noch viel mehr “außer” und “wenn” gespickt. Die Rechtsabbiegemöglichkeit bei Rot hingegen ist so formuliert, daß klar ist, daß sie wohl nur in Ausnahmefällen verordnet werden sollen. Letztendlich wird es bei beiden neuen Rechtsnormen davon abhängen, wie sie von den Kommunen ausgelegt werden. Es ist zu befürchten, daß diesen Paragraphen ein ähnliches Schicksal blüht wie den nichtbenützungspflichtigen Radwegen oder den Fahrradstraßen: Es wird oft genug Gründe geben, warum das jetzt ausgerechnet da nicht möglich sein wird, weil solche Regelungen — im Gegensatz zu benützungspflichtigen Radwegen — keine Erleichterung für den Autoverkehr bringen.
(Umgekehrt wird leider auch ein Schuh daraus: So manche jetzt schon verordnete RgE-Regelung in Wien ist lebensgefährlich, weil man einerseits die Einbahn öffnen, aber anderseits keinen einzigen Parkplatz opfern wollte.)
Generell wird die StVO mit dieser Novelle um ein gutes Stück länger und einiges an Rechtsstreitereien ist damit sicher vorprogrammiert. Vor allem an den Gemeinden wird es liegen, wie diese Novelle umgesetzt wird. Und vielleicht kann man da noch ein paar Bestimmungen vor der Beschlußfassung begradigen.
Nur eines macht einen doch ein bisserl Gruseln: Müssen in Wohnstraßen und Begegnungszonen “Trainingsfahrten mit Rennfahrrädern”, noch dazu im Pulk, wirklich möglich sein?
Bernhard Redl
Alle Materialien zur Begutachtung sowie die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme gibt es unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/ME/ME_00197/index.shtml#tab-Uebersicht
https://tinyurl.com/11akinSTVO