Notes of a Dirty Old Man

[Printausgabe 16/2022]

Es ist so heiß! Deswegen sitze ich jetzt im Bikini vor der Tastatur. Ja, das macht die Sache natürlich noch heisser. Vor allem, weil ich Falott da verbotenerweise „Kulturelle Aneignung“ betreibe, weil Bikinis ja nur Menschen erlaubt sind, die eine weibliche Sozialisation erlebt haben. Wobei Bikinis ja eigentlich sexistisch sind, weil sie eine Reduktion der Frau auf ihren Körper bedeuten. Aber Frauen gibt es ja gar keine mehr, sondern nur „Menschen, die menstruieren“. Außer Transfrauen, das sind Frauen. Betonen die ja selber immer. Aber geht das überhaupt in Zeiten, wo „Mann“ und „Frau“ lediglich unerreichbare Ideale in einem Kontinuum zwischen den Geschlechtern sind? Oder ist das überhaupt ganz falsch?; weil so binär darf man eigentlich gar nicht denken!

Okay, ich sitze nicht wirklich im Bikini vor dem Computer. Aber alle, die mich persönlich kennen, haben jetzt sicher ein lustiges Kopfkino. Überprüfen kann man das jetzt eh nicht, weil das ist ja ein Text und kein Youtube-Video. Vielleicht hab ich auch ein pinkes Minikleidchen an. Oder einen Frack wie am Opernball. Ihr werdet es nie erfahren.

Ja, dieser Text ist natürlich ein Geblödel bisher und ich möchte mich mich bei all jenen Menschen entschuldigen, die wirklich darunter leiden, sich im falschen Geschlecht geboren zu fühlen. Aber die Vernünftigen unter ihnen kriegen zumeist den Mund nicht auf und sind daher selbst nicht ganz unschuldig an den jetzt noch viel blöderen Debatten, die da nicht nur auf Social Media, sondern auch in so hehren Institutionen wie dem deutschen Bundestag geführt werden. Weil einerseits will man es unter Strafe stellen, jemandem mit dem behauptetermassen falschen Geschlecht anzureden, andererseits soll man per Selbsterklärung jedes Jahr sein Geschlecht ändern können. Ich stelle mir gerade so vor, wie man jedes Gespräch damit beginnen muß, sich wechselseitig zu fragen, welchen Geschlechtes das Gegenüber heute gerade sei, um nicht einen Fauxpas zu begehen oder gar eine Straftat. Wobei das eh nur was für bessere Leute ist, weil sonst kann es sich auch in Deutschland ja niemand leisten, jährlich einen neuen Reisepaß machen und sämtliche sonstigen amtlichen Dokumente ändern zu lassen.

Egal, monetäre Probleme sind ja nicht das Anliegen von Leuten, die sich ebenso per Selbsterklärung als „Linke“ verstehen, in Wirklichkeit aber nur postmoderne Bobo-Oberschichtler sind, denen fad im Schädel ist und die nicht mehr für soziale Gerechtigkeit eintreten können oder gar für den Kommunismus, weil sie sich ja dann selbst bekämpfen müßten. Ehrlich, bei denen wäre Cancel Culture durch Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten allerdings angebracht, weil mehr Cultural Appropriation, als daß sich Angehörige der Expropriateursklasse als Linke deklarieren und ihre Kritiker als Faschisten bezeichnen, ist wohl kaum möglich.

Natürlich vereinfache ich da jetzt gründlich, aber in einer Zeit, wo biologisches, habituelles oder soziales Geschlecht zusammengemanscht werden und dann noch sexuelle Orientierung unter dieses Mischmasch gehoben und diese ungenießbare Gebräu dann als linke Theoriearbeit verkauft wird, obwohl es — kulinarisch betrachtet — eher Käsekrainer mit Himbeermarmelade in Weißweinsauce ähnelt, darf man schon ein bisserl polemisch simplifizieren. (Gut, daß das in Deutschland geht, ist irgendwie verständlich, die kochen ja wirklich so und halten das noch für originell; aber that’s another cup of coffee, deutscher Kaffee quasi, nicht unserer.)

Wenn man will, kann man das natürlich alles amüsant finden. Mit Nestroy ist es ollas Chimäre, aber mi unterhoits, aber genau das war auch schon dem durchaus revolutionär gesinnten Volksdichter klar: Diese Unterhaltung ist auch eine willkommene Ablenkung in einem öffentlichen Diskurs, der eigentlich ganz andere Themen haben sollte.

Aber auch andere Gefahren birgt diese Themensetzung. Über das deutsche „Selbstbestimmungsgesetz“ schreibt Jan Feddersen in der „taz“: „Das ist ein krass weitgehendes Reformprojekt, so fundamental ausgreifend, das vor allem unter diesem Umstand jetzt schon leidet und das es Konservativen leicht machen wird, es zu deligitimieren und als Top-Down-Vorschrifterei der akademisch orientierten Politiken zu charakterisieren. Sie, wie in Ungarn durch Viktor Orbán, wie durch republikanisch geführte Bundesstaaten in den USA, wie durch die Putin-Administration in Russland.“

Genau diese Leute freuen sich über solche Debatten und die Diskursführer der Transpartie – die anscheinend ihre Weiblichkeit dadurch betonen wollen, daß sie sich als Karikatur auf das klassische Klischee der „hysterischen Weiber“ gebärden – sind wiederum froh über reaktionäre Politiker. Es ist einfach großartig, wie man sich gegenseitig hochpushen kann mit dem Verweis auf den Anderen, fast so schön wie damals im Kalten Krieg. Der echte Krieg in der Ukraine oder Orbans Antisemitismus sind da natürlich auch hochwillkommen.

Ich gehe jetzt doch auf Youtube! Nein, nicht um mein tatsächliches Outfit zu präsentieren, sondern als Konsument, um mich in die 70er und 80er zurückzubeamen. Ich schau mir Shows von Dame Edna an oder Musikvideos mit den Village People. Weil damals, als jegliche Art der Abweichung im Bereich der Sexualität und des Geschlechts im angeblich so freien Westen wirklich noch massiv diskriminiert wurde, war der mediale Umgang damit noch lockerer und lustiger.

Nachbemerkung: Den Titel muß ich noch erklären. Auf einer Bühne in Bad Vöslau wurden jüngst Texte von Charles Bukowski dramatisiert wiedergegeben. Allerdings war man der Meinung, man müsse bestimmte Ausdrücke des Dichters ersetzen oder weglassen, „weil man das heute so nicht mehr sagen“ könne. Also: Eine Vorstellung, damit sich die Bobos auch ein bissi verrucht fühlen können, aber immer noch so anständig, daß sie es ertragen. Sprich: Warme Eislutscher für bessere Leute, die Rauchen auf der Bühne schon wohlig-gruslig triggert. Ich lese den alten Macho lieber im Original und eine Sammlung seiner Texte trägt eben den Titel, den ich mir hier ausgeliehen hab. Schätze, Bukowski wäre nicht böse gewesen über diese meine kulturelle Aneignung.

Mario Czerny

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