Schützt das Verbotsgesetz vor seinen Fans!
[Aus der Druckausgabe 22/2022]
Jetzt soll also wiedermal das Verbotsgesetz 1947 verschärft werden. Der Anlaßfall ist ein Unteroffizier, der wegen „Wiederbetätigung“ verurteilt worden ist, aber trotzdem weiter als Berufssoldat dienen konnte — schlicht, weil es keine Bestimmung gab, die bei einer geringfügigen Verurteilung wegen dieses Gesetzes eine Beamtenkarriere beenden hätte. Was tatsächlich verwundern sollte.
Anlaßgesetzgebung ist aber immer sehr genau zu beobachten, weil da oft Sachen beschlossen werden, die bei nüchterner Betrachtung wohl kaum durchsetzbar wären. Auch sollte man mit dem Verbotsgesetz vorsichtig umgehen und es nicht einfach zum Universalmittel verkommen lassen. Daher sollte man schon bedachtsam sein, wenn man wegen eines meschuggenen Unteroffiziers gleich noch einiges Andere in einem Aufwasch mitbeschließen will. Konkret: Will man wirklich ein paar Idioten, die sich als „neue Juden verfolgt“ betrachten mit diesem legistischen Vorschlaghammer behandeln, weil dies strafwürdige „Verharmlosung des Holocausts“ darstelle?
Das Verbotsgesetz ist zuallererst historisch einzuordnen. Es finden sich auch noch in der geltenden Fassung Bestimmungen, die längst derogiert sind, also einfach nicht mehr anwendbar — weil sie ehemalige Täter des NS-Regimes betreffen. Bspw. die Registrierungspflicht für ehemalige Mitglieder der NSDAP wirkt etwas antiquiert. Dadurch wird aber auch klar, was dieses Gesetz, das in seiner Urfassung vom 8.Mai 1945 stammt, ursprünglich bezwecken sollte: Die Verunmöglichung der Rekonstruktion des NS-Regimes! Daher auch der Ausdruck „Wiederbetätigung“, womit die alten NS-Seilschaften gemeint waren. Diese Gefahr besteht schon lange nicht mehr. Seine Legitimation bezieht das Gesetz heute aus zwei Quellen: Erstens kann man es nicht abschaffen, weil moderne Nazis und andere Faschisten das als Sieg feiern würden. Zweitens ist klar, daß für heutige Rechtsextreme der Rückgriff auf die alten Symbole und Parolen ein einigendes Band ist, ein historisches Narrativ, wie es beispielsweise die Reichsidee und der Antisemitismus seit dem Mittelalter im NS-Regime oder das Imperium Romanum samt Liktorenbündel bei den italienischen Faschisten war.
Folgerichtig wurde das Verbotsgesetz auch immer wieder reformiert, um Ausweichdelikte ahnden zu können wie etwa die „Auschwitzlüge“. Aber es ist eben nicht jede Blödheit unbedingt eine Chiffre von modernen Nazis.
Verharmlosung per Gesetz
Natürlich gibt es den umgekehrten Topos auch von Rechtsextremen, die aktuell herrschenden Verhältnisse als „Nazi“ zu brandmarken und sich selbst als deren neue Opfer zu stilisieren — man erinnere sich nur an diesbezügliche Sager von HC Strache. Aber der Vergleich von allem Möglichen mit Nazi-Regime und -Bewegung ist schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts unheimlich beliebt. Mit der Verbreitung des Internets wurde das zu einer globalen Unsitte. Nicht umsonst gibt es Godwin’s Law: „Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit den Nazis oder Hitler dem Wert Eins an.“
Will man das jetzt alles mit dem Verbotsgesetz ahnden? Je nachdem, wie das die Legisten formulieren werden, könnte das nicht nur ein vollkommen willkürlicher Strafbestand werden sondern auch das Verbotsgesetz und vor allem die Idee dahinter ins Lächerliche ziehen. Wenn man Menschen, die die hirnrissige Idee haben, mit gelben Davidssternen rumzulaufen, um sich über eine zumindest behauptete Diskriminierung zu beschweren, via Verbotsgesetz zu Nazis erklärt — ja, was hieße das denn? Das hieße, man stellt sie gleich zumindest mit den registrierungspflichtigen Mitläufern von damals, wenn nicht sogar mit den Mördern und Schreibtischtätern dieser unseligen Zeit. Sorry, aber das wäre genau das, was man eigentlich ahnden möchte: Eine Verharmlosung der Mörder von damals, des Holocausts und des NS-Regimes!
Argumentationsnotstand
Ich diskutiere viel mit Verschwörungstheoretikern und es ist zach. Soviel Blödsinn ist oft schwer auszuhalten. Aber sie sind halt von einer Position notwendiger Skepsis irgendwann einmal falsch abgebogen. Die Vereinnahmungsversuche durch Hitlerverehrer sind da leider auch oft erfolgreich gewesen und das umso mehr, als man sie in das rechte Eck gestellt hat. Sie halten sich oft genug mittlerweile selbst für „Rechte“, auch deswegen, weil sie von Pseudoantifaschisten als solche angesehen werden. Was soll ich denen sagen, wenn sie sich darüber beschweren, mit Naziverbrechern gleichgesetzt zu werden? Was soll ich denen sagen, wenn sie konstatieren, daß sie ja Recht damit gehabt hätten, wenn sie sich über Verfolgung beklagen? Wenn sie deswegen meinen, sie wären eben doch die „neuen Juden“?
Ein Verdacht nach dem Verbotsgesetz gibt den Ermittlungsbehörden weitgehende Befugnisse in die Hand — will man da wirklich mit solchen Kanonen auf lediglich ärgerliche Spatzen zielen als wären sie Schwerverbrecher?
Das Verbotsgesetz sollte dazu dienen, die echten Wiedergänger von Hitler und Co. zu bekämpfen. Antifaschismus hingegen bedeutet Militarismus, Rassismus und Autoritarismus zurückzudrängen. Das geht nicht mit dem Strafrecht. Die Gründe dafür liegen wohl auf der Hand.
Bernhard Redl