Reaktionäre beschimpfen, bis sie pampig werden

„Chez Krömer“ wurde eingestellt. Am 5.Dezember ging nach dreieinhalb Jahren, sieben Staffeln und 41 Episoden die letzte Ausgabe der Comedy/Talk-Sendung von Kurt Krömer im Fernsehsender von rbb on air. In Österreich hatte man von der Berliner Show erst dann im größerem Ausmaß etwas mitbekommen, als HC Strache dort zu Gast und die Sendereihe schon am Auslaufen war.
Und das ist auch gut so, meint Fabian Lehr.

[Aus der Druckausgabe 23/2022]

Ich habe das Phänomen Krömer nie wirklich verstanden und sehr befremdlich gefunden, wie große Teile der Linken im weiteren Sinne das jahrelang abgefeiert haben. Wenn ich mal versucht habe, mir eine Episode davon anzuschauen, habe ich es immer als extrem unangenehm empfunden und bald abgebrochen. Mir ist erst nach ein paar Versuchen klar geworden, dass das, was mich daran abstieß, nicht Ausrutscher waren, Resultat schlechter Vorbereitung einzelner Episoden, sondern das dezidierte, vorgesehene Konzept der ganzen Show schlechthin.

Dieses Konzept lautet so: Krömer lädt irgendeine reaktionäre Persönlichkeit des öffentlichen Lebens ein, die er persönlich besonders unsympathisch findet. Dann beschimpft und provoziert er diesen Gast eine Stunde lang in der Hoffnung, dass er die Beherrschung verliert und ausrastet. Wenn das klappt und es einen schönen, auf social media gut teilbaren Ausraster gibt, war die Episode ein Erfolg. Als eine Art politisches Kabarettformat mag das in den ersten paar Episoden noch halbwegs innovativ und lustig gewesen sein. Nur entwickelte sich die Sendung dann nicht weiter, es kam jahrelang kein weiteres Element zum Konzept „Reaktionäre beschimpfen, bis sie pampig werden“ dazu, und im Laufe der Zeit ist das als regelmäßiges Sendeformat einfach nur noch total debil.

Vor Kurzem habe ich versucht, mir die Episode mit HC Strache anzuschauen. Ich habs nicht ausgehalten, mir diesen Müll fertig anzuschauen. Strache bietet tausend Steilvorlagen für effiziente Demontage des Rechtspopulismus, für eine Dekonstruktion, die möglicherweise auch seine Fans nachdenklich machen und irritieren könnte. Man könnte an unzähligen Beispielen den schreienden Widerspruch offenlegen, wie Strache sich jahrelang als Anwalt der (weißen, freilich) Abgehängten und Deklassierten, als Volkstribun aufspielte und wie er dann, in die Regierung gelangt, eine brutal neoliberale Politik der forcierten Bereicherung der Reichen und der forcierten Verarmung der Armen trieb. Man könnte an unzähligen Beispielen den Widerspruch zwischen seinen Phrasen von Transparenz und Anstand in der Politik einerseits, seiner tatsächlichen ungeheuerlichen Korrumpiertheit und Käuflichkeit andererseits aufzeigen. Man könnte an unzähligen Beispielen mit Verweis auf seine Parteifreunde darlegen, dass die Causa Strache kein Einzelfall, sondern dass das Theaterstück „Den Volkstribun spielen, um an die staatlichen Futtertröge gewählt zu werden und sich im gütlichen Einvernehmen mit der Oligarchie auf kriminelle Weise vollzustopfen“ die Essenz des Rechtspopulismus überhaupt ist. Was macht stattdessen Krömer? Ihn fragen, ob er Hitler nicht in Wirklichkeit geil finde, bestimmt, oder, ODER??!! Es ist zum Fremdschämen.

Nix dagegen, Reaktionäre zu beschimpfen. Wenn irgendwelche Jugendlichen Strache auf der Straße als Nazi beschimpfen, ist daran sicher nix verkehrt. Wenn nun aber die linke mediale Dekonstruktion der Rechten sich darauf beschränkt, ausgewählten Rechten eine Stunde lang „Nazi, Nazi, Nazi!“ entgegenzurufen, dann ist das — nun ja, debil halt. Es gibt dabei für niemanden irgendeinen Erkenntnisgewinn und auch keinerlei agitatorische Wirkung auf irgendjemanden.

Linke und Liberale, die die dabei präsentierten Reaktionäre sowieso schon scheiße fanden, erfahren dabei absolut nichts Neues über deren Denken, die Motive und die innere Logik ihrer Ideologie und Politik, denn um Leute dazu zu bringen, möglichst offen zu reden und möglichst ungezwungen sie selbst zu sein, muss man sie ganz im Gegenteil in einem Gefühl von Sicherheit und Verständnis wiegen. Wer wissen will, wie es im Kopf eines Reaktionärs aussieht, muss sich anschauen, wie er mit anderen Reaktionen spricht oder mit Leuten, die er zumindest nicht für seine Feinde hält.

Wenn ich dagegen Menschen, die bisher Fans eines Reaktionärs sind, ins Nachdenken bringen will, muss ich ihr Idol in die Ecke drängen, indem man methodisch seine Widersprüche aufzeigt, die Diskrepanz zwischen seiner Selbstdarstellung und der ekligen, niederträchtigen, korrupten Realität der Rechten, die eben keine mutigen Kämpfer gegen den Mainstream, sondern käufliche kleine Milliardärsknechte sind. Das kann Krömer nicht, dafür bereitet er sich inhaltlich auf seine Sendungen nie ausreichend vor und dafür ist er auch nicht schlagfertig genug.

Kein Linker lernt in diesen Talks also irgendetwas Neues und kein Rechter wird dadurch auch nur im Mindesten in seinen Überzeugungen erschüttert. Ja, im Gegenteil: Krömers „Gesprächs“stil weckt tendenziell eher Sympathie für seine reaktionären Gäste. Im Vergleich zu Krömer wirken seine Gäste meistens ruhig, sachlich und beherrscht, ihr Interviewer dagegen wie ein unangenehmer Choleriker, der sich nicht unter Kontrolle hat und gerade im Begriff steht, eine betrunkene Kneipenschlägerei anzuzetteln. Es ist wirklich unangenehm. In der Strache-Episode hat Krömer es allen Ernstes fertiggebracht, dass Strache, Ex-Vizekanzler und ultrakorrupter Ex-Chef einer rechten neoliberalen Partei, deren Konzept „Mobilisierung rassistischen Hasses zur Stabilisierung der Milliardärsherrschaft“ lautet, dass dieser Strache wie ein armer underdog wirkt, mit dem man leicht unwillkürliche spontane Sympathie empfinden kann.

Warum also war dieser Mist jahrelang so populär, warum schauen gerade Linke und Linksliberale im weiteren Sinne sich sowas freiwillig dutzende Episoden lang an? Ich glaube, dass das Phänomen Krömer typisch ist für eine Art von Linksliberalismus, die gar kein Interesse daran hat, auf die sie umgebende politische und gesellschaftliche Wirklichkeit tatsächlich irgendwie einzuwirken, sondern für die virtue signalling ein Selbstzweck ist: Man vertritt linke/linksliberale Überzeugungen, um durch den Kontrast zwischen dem eigenen Edelsinn und der Gemeinheit und Niedertracht der anderen sich und sein Umfeld davon überzeugen zu können, dass man selbst ein ungewöhnlich edler Mensch, die Rechten dagegen sehr schlechte Menschen sind. Dabei geht es nicht etwa darum, Rechte von ihrer Ideologie abzubringen und davon zu überzeugen, dass es auch in ihrem Interesse vernünftiger wäre, links zu werden. Ganz im Gegenteil: Wer die Schmuddelkinder überhaupt irgendwie anspricht, beweist damit, dass er selbst wohl nicht ganz reinlich sein kann. Man glaubt nicht und strebt nicht an, dass man die Gesellschaft und die politische Landschaft ernstlich verändern und die Rechten davon abbringen könnte, rechts zu sein und sieht den Sinn der Beschäftigung mit Politik stattdessen in der Bestätigung der eigenen Identität. Die Guten, Reinlichen, Edlen (Zu denen man selbst natürlich gehört) hier, die Bösen, Schmutzigen, Gemeinen dort.

Krömer ist dafür das perfekte TV-Begleitprogramm. Man ist da vor Überraschungen sicher und weiß vor jeder Episode exakt, welche Lehre am Ende gezogen wird: Der reaktionäre Gast und seine rechten Fans sind dumme, erbärmliche Loser, über die man nur lachen kann, Krömer und seine linksliberalen Fans sind geile, korrekte Typen, die man nur bewundern kann („Typen“ ganz bewusst – es gehört durchaus zum Konzept der Sendung, dass der Moderator ein Auftreten kultiviert, das wie eine übersteigerte Karikatur dessen wirkt, was seine eigenen Fans wahrscheinlich anderswo zurecht als „toxic masculinity“ bezeichnen würden, und ich nehme an, dass das sehr viel eher bei männlichen Zuschauern gut ankommt). Jede Krömer-Episode liefert dem Zuschauer die beruhigende Gewissheit, dass die Welt genauso ist wie man denkt und die eigene Verortung im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse stimmt. Volksverpetzer-TV, quasi. Letztlich ist es eine seltsam apolitische, inhaltsfreie Form des Polit-Talks, in der nie dargelegt wird, welche Positionen des Gegenübers warum falsch sind, sondern ausgelotet wird, wo er moralisch steht im Kampf zwischen Schatten und Licht (Spoiler: Krömer und seine Fans stehen stets auf der Seite des Lichts, seine Gäste und deren Fans auf der Seite der Schatten).

Nein, es ist nicht schade, dass mit diesem Klamauk endlich Schluss ist.

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