Nicht ins Dunkel: Es weihnachtet sehr arg!

Rosalia Krenn muss sich leider auskotzen

„Nicht ins Dunkel“ ist ein Zitat von Franz Josef Huainigg (Ex-ÖVP-Mandatar) anlässlich der Weihnachtszeit. „Licht ins Dunkel“ heißt eine am 24. 12. im ORF ausgestrahlte Sendung, die Weihnachten als Zeit der Güte, der Geschenke und der Bettelei für Menschen die sich in einer Situation der Armutsgefährdung befinden darstellt. Da ich mir diese Sendung zum ersten Mal zwei Stunden lang angesehen habe, kann ich nicht umhin, einige Gedanken dazu niederzuschreiben. Sogenannte namhafte Politiker und Politikerinnen durchaus auch in Regierungsverantwortung bedanken sich dafür, dass es in Österreich so viele spendenwillige Menschen gibt, die in Not geratenen Familien mit Geld weiterhelfen möchten. Vizekanzler Werner Kogler betonte, dass auch der beste Sozialstaat nicht alle Lücken schließen könne.

Da stellt sich mir aber schon die Frage, wie es in einem der reichsten Länder der Welt möglich ist, dass regierungsverantwortliche, im Parlament grübelnde, gestaltungswillige, mit viel Geld ausgestattete Politiker_innen Armut nicht abschaffen können. Bert Brecht äusserte: Wärst Du nicht reich, wär ich nicht arm. Spendenschecks wurden präsentiert, unter anderem auch von Firmen, die zum Beispiel in Regionen Afrikas „investieren“. Unter Applaus. Wieso Firmenbosse Geld zum spenden haben, wird nicht nachgefragt. Es könnte aber sein, dass sich die Arbeitgebervertretung bei den Kollektiv-Vertragsverhandlungen immer arm-reden. Einmal im Jahr, zu Weihnachen, scheint es den Konzernchefs wichtig zu sein, es zu bedauern, dass es in Österreich in Armut oder Armutsgefährdung lebende Menschen gibt, denen dringend mit einer einmalig getätigten Spende geholfen werden müsse.

Politiker und Politikerinnen, Firmenchefs und Moderatoren sowie Moderatorinnen des ORF üben sich einen ganzen Tag lang in Betroffenheit. Über vier Millionen Euro wurden heuer gespendet. Da könnten der Sozialminister und der Arbeitsminister doch auf die Idee kommen, Sozialleistungen zu kürzen, da die in Österreich lebenden Leute immer noch Geld übrig haben, um es an ein Licht ins Dunkel weiterzugeben.

Bundesheer

Das Bundesheer spendet mit, Bundesheerangehörige sitzen an den sogenannten Spendentelefonen für Licht ins Dunkel. Sie werden belobigt, ihnen wird gratuliert, weil sie so selbstlos ein Spendentelefon bedienen. Das österreichische Bundesheer ist nicht so harmlos, wie es sich darzustellen versucht. Das Bundesheer schickt Soldaten aus. Unter anderem nach Bosnien. Einer der Generäle äusserte sich direkt zu seinen Aufgabengebiet; es sei sein Ziel „Migration zu verhindern“.

Inklusion

Vorzeigebehinderte: Bei dieser seit fünzig Jahren ausgestrahlten Sendung darf ein Mensch mit Behinderung nicht fehlen, das Motto lautet: Mei, der Arme. Da wird darum gebettelt, dass eine Person, deren Leben davon abhängt, einen funktionstüchtigen, auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittenen Rollstuhl geschenkt bekommt. Entschuldigung: Es gibt Menschenrechte. Ein Mensch der einen Rollstuhl braucht, sollte nicht darum betteln müssen, er muss sich auch nicht erfreut oder dankbar dafür zeigen, dass ihm dieses Hilfsmittel oder ein Zubehör gespendet wird. Ein Mensch mit Behinderung hat dasselbe Recht auf ein Leben in Würde wie jeder andere auch. In dieser Sendung werden Menschen mit Beeinträchtigung als arm und hilfsbedürftig dargestellt, als Menschen mit denen man Mitleid haben sollte, wenigstens zu Weihnachten. Zwischen Mitleid und Gleichwertigkeit gibt es aber einen himmelschreienden Unterschied. Wenn alle Menschen mit dem gleichen Anspruch auf Recht und Würde geboren sind, braucht es keine Gnadengeschenke. Und keine Vorzeigebehinderten, die zu Weihnachten vorgeführt werden, um mitzuteilen, dass diese Geschöpfe halt auch leben möchten, damit alle anderen sich auf die eigene Brust klopfen können, sich gut dabei fühlen können, dass sie zu Weihnachten ein Herz für Behinderte haben. Hartheim lässt grüßen.

Gerda Lerner, der es gelungen ist, als Jüdin mit der sogenannten dritten Fluchtwelle in die USA auszuwandern, hatte in ihrem wissenschaftlich mehrfach belegten Szenario dargelegt, dass es der Absonderung von Menschen vorausgeht, einen Unterschied zu machen. Ohne diesen Unterschied wäre Hartheim nicht möglich gewesen. Ein führender Beamter im Unterrichtswesen wagte es in der von sehr vielen Menschen gesehenen Live-Sendung Licht ins Dunkel zu sagen, dass es den Mut der Eltern und den Mut der Pädagog_innen braucht, damit Integration stattfinden kann; er bittet also darum, dass sich Eltern und Pädagog_innen dafür einsetzen, dass sich Kinder mit Beeinträchtigung ins Regelschulwesen integrieren können. Die Pädagog_innen vor Ort sollen also über das Recht auf Integration entscheiden. Wer an dieser Stelle an Übertreibung denkt, irrt. In der Sendung Licht ins Dunkel wurde ein Mann präsentiert, der an den Rollstuhl gebunden es dem Mut der Regelschulpädagog_innen zu verdanken hatte, dass er die Regelschule besuchen und absolvieren durfte. Es braucht in Österreich also Mut, damit ein Kind mit Behinderung integriert werden kann. Fehlt dieser Mut, kommt das Kind in die Sonderschule. Dann wird es abgesondert. Ressourcen für diesen Mut haben aber nur Eltern, die sich auszudrücken vermögen, meist mit höherem Bildungsgrad versehen sind, und sich von diesem Staat nicht alles gefallen lassen.

Empörung und Scham

Ich bin empört darüber, in einem Land zu leben, für das man sich nur schämen kann. Selbstverleugnung paart sich mit Selbstvergessenheit. Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit ein Bundespräsident, der vergessen hatte, dass sein Pferd einst der SA gedient hatte. Dieser Bundespräsident hatte sich als einziger nicht seiner Wiederwahl gestellt, da er von keinem anderen Staat als Besucher eingeladen wurde. Ein Bienenzüchter-Verein aus Tirol hatte sich erbarmt, ihn zu begrüßen. Das war von der Hofburg in Wien aus betrachtet sein einziger Auslandsbesuch. Ich erwähne diese Episode, um an die Beschreibung von Thomas Bernhard zu erinnern: „katholisch-nationalsozialistisch“, so sieht dieses Land bis heute aus.

An der Spendenaktion für die Sendung Licht ins Dunkel beteiligen sich Kirche und Bundesheer. Hand in Hand marschieren Kirche und Armee. Der Vizekanzler ist unbedingt für weitere Finanzspritzen für die Einheit Frontex, obwohl dieser Vizekanzler der Fraktion der Grünen angehört, bei Licht ins Dunkel bedauerte er aber ausdrücklich die zahlreichen Kriegsopfer des Ukraine-Krieges. Natürlich ging es ihm um die Frauen und Kinder. Propaganda-Mittel Nummer eins! Anstelle dieser Verlogenheit ist mir ein Bundeskanzler Karl Nehammer, seines Zeichens Offizier, schon lieber, der sagt, wir brauchen das russische Öl und Gas, davon sind wir abhängig. Der Bundeskanzler hat die Militärakademie nicht nur besucht, sondern militärische Gesinnung auch verstanden. Bei der Sendung Licht ins Dunkel denkt er als Interview-Gast an Frieden und an das Glück, mit seiner Familie unter dem Weihnachtsbauch zu sitzen. An der österreichisch-ungarischen Grenze werden an diesem Friedenstag sogenannte Flüchtlinge weiter abgeschoben. Die österreichische Politik ist selbstverständlich nicht dafür verantwortlich, wie die ungarischen Behörden mit den rückgeschobenen Flüchtlingen umgehen.

Der österreichische Bundeskanzler ist gedienter Militarist, der Vizekanzler ist ein Befürworter von Frontex. An Weihnachten werden beide rührselig und haben nur zwei Gedanken, zum einen finden sie es großartig, dass den Armen unter den Ärmsten geholfen wird, zum anderen freuen sie sich unter einem fett geschmückten Christbaum auf die Bescherung mit ihren Liebsten. Der ORF bedankt sich dafür, das Thema zur Sprache gebracht zu haben. Einen ganzen Tag lang Rührseligkeit und Mitleid mit den „Armen“:

Milde Gesten statt Rechtsansprüche lautet die unbeabsichtigt gesendete Botschaft. Es ist ein Skandal, dass Menschen die Hilfsmittel zur Bewältigung ihres Alltags benötigen, wie Schauobjekte vorgeführt werden, und dazu auch noch „Danke!“ sagen müssen, dass sie von Spenden abhängig gemacht worden sind.

Frohes Fest!

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