Kommentar: Wo ist der Feind? (Wehrpflichtdebatte)

Von Rosi Krenn, Arge Wehrdienstverweigerung
(Audioversion: http://cba.fro.at/64023, 5:43 min.)

In der Wehrpflichtdebatte werden wir an der Nase herumgeführt. Es stellt sich die Frage, warum die Bevölkerung überhaupt zur Stimmabgabe eingeladen wird, um sich für oder gegen die Wehrpflicht auszusprechen. So unpopulär wie der Zwangsdienst in Österreich ist, könnte es gut möglich sein, dass sich eine Mehrheit für die Abschaffung der Wehrpflicht ausspricht. Nur: damit ist auch der Zuvieldienst obsolet.

Zuvieldiener stützen mittlerweile die Versorgung im Sozial- und Gesundheitsbereich zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil. Müssen Zuvieldiener durch (mehr schlecht als recht) bezahltes Personal ersetzt werden, verursacht dies erhebliche Mehrkosten in einem Bereich, in den die öffentliche Hand immer weniger investieren möchte, da die gesellschaftspolitische Stimmung auf Entsolidarisierung abzielt.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass ein freiwilliges soziales Jahr die Leistungen, die Zuvieldiener erbringen müssen, ersetzen kann, es ist auch nicht damit zu rechnen, dass der derzeitige Leistungsstand im Sozial- und Gesundheitswesen aufrecht erhalten wird. Vermuten lässt sich, dass Leistungen einfach gestrichen werden, pflegebedürftige Menschen die bisher gewohnte Versorgung nicht mehr erhalten, es für kranke und pflegebedürftige Menschen noch schwieriger werden wird, einen Alltag so zu erleben, dass er als menschenwürdig bezeichnet werden kann.

Damit macht sich keine Regierung beliebt, einzelne Skandale werden da die Öffentlichkeit erreichen. Doch die Regierenden werden ihre Verantwortung für das Sozialwesen nicht wahrnehmen, sondern diese der Bevölkerung unterjubeln, mit dem Argument, dass ja wohl klar gewsen sei, dass mit der Wehrpflicht auch der Zuvieldienst falle. Dazu wird wahrscheinlich argumentiert werden, dass in diesen sogenannten „schlechten Zeiten“ wohl kaum damit zu rechnen gewesen wäre, dass die Mittel für den Sozial- und Gesundheitsbereich aufgestockt werden würden. Wer krank oder pflegebedürftig wird, schaufelt sich sein eigenes Grab und ist dann selber schuld. Dies ist die eine Vermutung, warum wir überhaupt gefragt werden, ob Österreich die Wehrpflicht benötigt.

Verschleierung der Militarisierung

Die andere Vermutung zielt auf die Abschaffung der Neutralität ab. Mit battle groups und einem in Verfassungsrang stehenden Kriegsermächtigungsartikel, der Kriegseinsätze auch unter NATO-Kommando ermöglicht, wie es jetzt schon der Fall ist, ist die Neutralität zwar ein nicht mehr ernstzunehmender Artikel der Bundesverfassung, formal und als identitätsstiftendes Moment der österreichischen StaatsbürgerInnen wird er aber als sehr bedeutsam wahrgenommen.

Selbstverständlich wird ein ausschließliches Berufsheer die Orientierung auf Auslandseinsätze nicht nur beibehalten, sondern intensivieren und sich parteiisch an künftigen Kriegen beteiligen, besonders wenn es den eigenen Wirtschaftsinteressen entgegenkommt. Die Zeitschrift „guernica“ brachte nach dem Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien das Zitat eines General Wolfs heraus, der vermeinte, dass das Bundesheer im Balkan der Wirtschaft den Boden aufbereiten würde.

Die auch formale Abschaffung der Neutralität macht es den herrschenden Eliten viel einfacher, sich an künftigen Kriegen zu beteiligen, die Ausrede ist einfach: Wer sich für die Abschaffung der Wehrpflicht ausgesprochen hat, hat sich gleichsam für ein Berufsheer und gegen die Aufrechterhaltung der Neutralität ausgesprochen.

Die Wehrpflicht in Frage zu stellen, beinhaltet, dass es keine Landesverteidigung mehr geben muss. Bei der Vorstellung, dass Österreich angegriffen werden könnte, müssen sogar die alten Generäle lächeln. Es gibt so gesehen keinen Feind, gegen den sich das Land zu wehren hätte. Wenn es weit und breit keinen Feind gibt, und Berufssoldaten die Frage gestellt wird: ‚Gegen wen den?‘ weichen diese sogar mit der peinlichen Aussage der Fragestellung aus, plötzlich von einem Cyberwar zu phantasieren – wie beispielsweise letztes Jahr in einem Club 2 zu hören war.

Die Bevölkerung wird befragt, um die künftigen Kriegseinsätze der Armee zu legitimieren und die Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. Mit der Diskussion um zivile Aufgaben und Katastrophenschutz wird nur verschleiert, was in Zukunft öffentlich gesagt werden will: Aufrüstung und Militarisierung im Kontext der EU. Diese schleichende Neudefinition des Heeres findet – so die Annahme – noch nicht den Zuspruch der Mehrheit der Bevölkerung.

Spätestens jetzt müsste gefragt werden, ob Österreich überhaupt ein Militär braucht. Weder Kadavergehorsam noch Einübung in die Staatsraison sind der Menschenbildung zuträglich, ein Sozial- und Gesundheitswesen, welches unter anderem auf Zwangsdienst aufbaut, ist menschenunwürdig. Und das Bundesheer ist abzuschaffen.

Homepage der Arge Wehrdienstverweigerung: http://www.verweigert.at

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Anmerkung der Redaktion: Die Debatte um die Wehrpflicht-Volksbefragung muß weiter intensiv geführt werden. Vor allem angesichts der etwas unguten Alternativen bei der Befragung braucht es Entscheidungshilfen, wie man sich verhalten soll. Ein anderer Ansatz ist zum Beispiel hier: http://akin.mediaweb.at/2012/18/18milit.htm zu finden, eine einstündige Radio-Debatte vom letzten Jahr hingegen hier: http://cba.fro.at/45808. Die akin bittet um weitere Beiträge.

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4 Kommentare zu „Kommentar: Wo ist der Feind? (Wehrpflichtdebatte)

  1. Vielen Dank an Rosalia Krenn für den Artikel in der Akin vom 26.9.2012 !! Allerdings fordere ich zusätzlich eine offene Diskussion über die „Landesverteidigung“ mit Kategorien, die politisch transportierbar sind – wieso sollte im Zuge einer solchen Debatte nicht die gegenwärtigen Verhältnisse im Gesundheits- und Solzialwesen offener und kreativer angesprochen werden als es in diesem Artikel erfolgt ist-Begriffe wie „Zuvieldienst und Zwangsdienst sind ja sehr plakativ werden aber einem konstruktiven Diskurs von unten nicht gerecht! Ich fordere zum Beispiel den Ausbau des Zivildienstmodells, jedoch mit der vollen arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung der arbeitenden jungen Menschen, sowie der damit verbundenen Notwendigkeit das ASVG derart weiter zu entwickeln, damit den Jungen Leuten nach 6 Monaten Arbeit auch alle Service-Rechte im Sinne der Arbeitslosenversicherung zustehen.

  2. Eine Armee kann nur schrittweise abgeschafft werden. Eine Wehrpflichtarmeee hat unverrückbare Größe, eine Berufsarmeee kann schrittweise verkleinert werden. So einfach ist das. Man muss als Pazifist wirklich kein Irrealist sein!

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