Ein schlimmer Finger

„Was der Direktor der Klinik für Psychiatrie an der Berliner Charité über die psychotische Wahrnehmung zu sagen weiß, lässt sich mühelos auf das Vorgehen der Regierung Tsipras übertragen. […] Die spannende Frage ist, wie man mit einer Regierung umgeht, die unter Halluzinationen leidet. Leider deutet alles darauf hin, dass Tsipras und seine Leute ihren Wahn nicht mehr unter Kontrolle haben.“
Spiegel-Redakteur Jan Fleischhauer, 10.3.2015
http://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-und-die-euro-verhandlungen-holt-den-psychiater-kolumne-a-1022699.html

„Was die Griechen-Radikalos liefern, das ist Irrsinn mit Methode. Jeder Bürger hätte es verstanden, wenn die Finanzminister sie gestern hochkant aus dem Sitzungsaal geschmissen hätten. Denn die griechische Regierung führt sich auf, als müssten alle andern nach ihrer Pfeife tanzen. […] Mal droht Athen mit einem Grexit. Na, und? Raus mit euch und eurem Grixi-Graxi!“
Bild-Gastautor Ernst Elitz, Gründungsintendant des Deutschlandradios
http://www.bild.de/news/standards/ernst-elitz/kein-schrecken-ohne-ende-40088502.bild.html

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Das wird man doch noch sagen dürfen. Man darf beleidigen, diffamieren und sogar nach dem Psychiater rufen. Aber eins darf man nicht — den Mittelfinger zeigen. Unabhängig von der müßigen Debatte, ob, wann, wie und in welchem Zusammenhang Janis Varoufakis der deutschen Regierung den Mittelfinger gezeigt haben soll: Was ist das schon gegen solche Zeitungskommentare?

Aber den Mittelfinger zeigt man nicht. Sicher, über den Fingerzeig wird auch deswegen mehr geredet, weil es ein jetziger Minister war, der ihn vor seiner Amtszeit getätigt haben soll. Und natürlich auch deswegen, weil es der griechische Finanzminister ist, von dem die Deutschen nach wie vor Demut einfordern. Doch da ist noch etwas anderes, das Diktum nämlich des guten Benehmens. Man darf in mehr oder weniger gepflegter Sprache — zumindest ohne Fäkalausdrücke — schimpfen. Man darf ein ganzes Volk in seiner ökonomischen Existenz gefährden. Aber man muß immer höflich sein dabei. Vor allem auf dem diplomatischen Parkett und im Gespräch ranghoher Politiker. „‚Scheiße‘ sagt man nicht!“ Das lernt man ja schon von klein auf.

Der Mittelfinger taucht immer wieder mal auf in der Politik. Und da sind dann alle sehr empört. Erinnert sich noch jemand an die Debatte Jörg Haider vs. Andreas Wabl im Nationalrat? Haider hatte vom Rednerpult aus kindisch-diffamierende Wortspiele mit Wabls Namen gemacht. Darauf konnte man eigentlich verbal nichts Sinnvolles erwidern. Wabl gab die einzig mögliche richtige Antwort, eben den Mittelfinger. Dafür bekam er einen Ordnungsruf und die Zeitungen waren empört über diese Geste. Haiders Beleidigungen hingegen waren den Kommentatoren kaum eine Erwähnung wert.

Manchmal ist der Mittelfinger die einzige Antwortmöglichkeit. Er ist eine klare Botschaft, daß jemand genug hat vom Verhalten des Gegenübers und nicht die geringste Lust mehr, auf der vom Anderen gewählten Gesprächsebene weiter zu diskutieren. Es ist ein Stopp, ein Zeichen das sagt: Wenn wir miteinander reden sollen, dann nicht mehr auf dieser Ebene.

Genau deswegen ist der Mittelfinger so schlimm für die deutsche veröffentlichte Meinung. Denn der Mittelfinger ist nichts anderes als ein Fingerzeig, daß das vom Gegenüber definierte Niveau dem Zeigenden einfach zu gering ist. Und das läßt sich das Volk der Dichter und Denker halt nur ungern sagen.
-br-

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2 Kommentare zu „Ein schlimmer Finger

  1. nur ein kleines detail: das volk war (auch in der missverstandenen variante) nicht gemeint, wirkliche dichter und denker bestimmt eh auch nicht soho beleidigt. 😉

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