Und sicher nicht ärger als Rotschwarz. Die Idee mit der Spaltung der SPÖ hat aber trotzdem was für sich! (Printversion aus akin 15/2015)
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“Es ist alles sehr kompliziert!” So wird Fred Sinowatz immer wieder zitiert. Ob er es jemals so gesagt hat, weiß ich gar nicht. Aber es war seine Art, zu regieren und das war nicht die schlechteste. Sinowatz war der Bundeskanzler einer rotblauen Regierung. Das war eine Regierung, die sicher auch ein paar Rückbauten des Kreiskyschen Sozialstaates zu verantworten hatte, diese aber doch äußerst moderat anging. Aber es war vor allem eine Regierung, die wußte, daß man nicht über alles drüberfahren kann, nur weil man im Parlament eine Regierungsmehrheit hat. Und so wurde Hainburg nicht gebaut. Natürlich hatte das zuerst einer starken Volksbewegung bedurft, aber es brauchte auch eine Regierung, die verstanden hat, daß man nicht gegen das Volk regieren soll — und bisweilen “Nachdenkpausen” braucht. Die damalige rotblaue Regierung war sicher nicht die schlechteste der zweiten Republik.
Alles anders?
Gut, die FPÖ ist heute sicher nicht die Partei von damals. Aber: Weniger Nazis hat es in der damaligen FPÖ auch nicht gegeben. Der einzige wirkliche Unterschied ist, daß die FPÖ heute sehr viel stärker ist als 1983 oder auch 1970, als Kreisky sie benutzte, um seine Minderheitsregierung zu etablieren. Damals zumindest waren die Blauen einfach benutzbar. Sind sie es heute noch oder ist das jetzt alles ganz anders?
Die diesbezüglich immer wieder als Abschreckung ins Treffen geführte schwarzblaue Regierung ist zumindest kein Argument für eine andere Situation. Schwarzblau war eine grausliche Regierung, ja. Aber warum? Nicht wegen der Blauen. Die waren unfähig zu regieren und haben in ihren Ministerien hauptsächlich Unsinn verzapft. Hingegen: Alles das, was von dort an gravierenden Entscheidungen kam, ist auf dem Mist der ÖVP gewachsen. Die ÖVP hat diese Regierung kontrolliert und war das Schlimme daran, weil sie mit der FPÖ einen Koalitionspartner hatte, auf den sie noch weniger Rücksicht zu nehmen hatte als früher auf die SPÖ. Die FPÖ begnügte sich damit, daß die ÖVP sie im Bund ein bisserl die Korruption blühen und in Kärnten Haider Landesfürst spielen ließ.
Genauso ist auch bei den seither passierenden rotschwarzen Koalitionen die ÖVP das Problem, weil sie mit der FPÖ drohen kann. Da lassen die Schwarzen die Sozialdemokraten lediglich bei der Raucherhatz auch ein bisserl was entscheiden, doch bei den harten Fragen der Politik bestimmt schon die ÖVP, wo es langgeht. Privatisierungen, Neoliberalismus, Abbau des Sozialstaats, EU-Fanatismus etc. verdanken wir der führenden Rolle der ÖVP in allen Regierungen seit 1987 — und damit wohl auch das zweimalige Erstarken der FPÖ.
Und jetzt ist in einer Landesregierung die ÖVP einmal an einer Landesregierung nicht beteiligt worden. Grand Malheur? Eher nicht. Burgenlands SP-Chef Niessl denkt sich wohl: ‘Die Blauen sind zu deppat zum Regieren, die kann ich locker über den Tisch ziehen. Und der ÖVP tut die Oppositionsrolle nicht gut, da geht sie eher ein. Warum also nicht Rotblau?’
Vom Kalkül her ist es also vielleicht nicht unschlau, die Blauen mit ins Boot zu holen. Rotblau im Burgenland hat aber noch einen anderen Benefit: Die Linken in der SPÖ sind plötzlich aus ihrem Dauerschlaf erwacht. Leider reagieren sie aus dem falschen Grund und mit falschen Mitteln. Weil: Sie empören sich über Rotblau. Während eine schwarze Innenministerin alles daran setzt, den Polizeistaat auszubauen, und Flüchtlinge einfach nur mies behandeln läßt und der angebliche Integrationsminister Ausländern noch weniger Sozialleistungen zukommen lassen will, sind die Maulhelden von der FPÖ für die Linken das große Problem. Diese SP-Linken regen sich nicht darüber auf, daß die SPÖ im Nationalrat zu allen Plänen der Innenministerin immer brav Ja und Amen sagt. Sie regen sich auch nicht darüber auf, wenn die SPÖ angesichts eines perversen Spardiktats zum Beispiel die Invalidenrente praktisch abschafft. Sie haben nicht so laut aufgeschrien, daß die SPÖ bei jeder neuen Koalitionsbildung sich mit Ministerien abspeisen ließ, mit denen man nur dieses Spardiktat eines schwarzen Finanzministers exekutieren kann. Nein, die Blauen sind die große Gefahr für Sozialstaat und Demokratie, eh kloa!
Themenverfehlung
Was diese SP-Linke tun müßte, wäre die Politik der SPÖ und deren Gängelbarkeit thematisieren. Denn genau diese Gängelbarkeit hat die FPÖ stark gemacht. Strache treibt wie weiland Haider die SPÖ vor sich her — die ÖVPler muß man da nicht antreiben, die machen rechte Politik ganz freiwillig.
Und genau wie dieser SP-Linken rotschwarze Austeritätspolitik eben keine schlaflosen Nächte bereitet, sondern eben nur Strache ihr Blut in Wallung bringt, so wenden diese Genossen auch komplett falsche Mittel an: Presseaussendungen, die den SPÖ-Spitzen nicht wirklich wehtun. Aber parteischädigendes Verhalten will man sich ja nicht vorhalten lassen und ganz sicher nicht eine echte Revolte anzetteln. Denn Sozialdemokraten brauchen — wie etwa in Deutschland mit Oskar Lafontaine — einen Oberrevoluzzer, damit sie in die Gänge kommen und klar machen, daß entweder sich radikal etwas ändert oder man eben aus der Position einer starken innerparteilichen Opposition eine neue Partei aufmacht. Tacheles: Wichtig wäre eine konzertierte Austritts- und Abspaltungsbewegung und zwar auch von Mandataren. Jetzt könnte die SPÖ noch eine chancenreiche linke Abspaltung hervorbringen. Jetzt könnte sie noch einen linken Flügel etablieren und gemeinsam mit anderen eine schlagkräftige linke Partei gründen. Aber das tun sie natürlich nicht. Sie werden solange mit der Spaltung warten, bis nicht mehr genug da ist, um etwas zu spalten. Erst wenn die SPÖ an Mandaten und Mitgliedern so klein geworden sein wird, daß eine Spaltung zur Bedeutungslosigkeit beider Hälften führen muß, dann werden sie sich abspalten. Sozialdemokraten halt.
Das ist so wie mit dem Austritt Sonja Ablingers aus der Partei — jetzt wo sie kaltgestellt worden ist und kein Mandat mehr hat, tritt sie aus. Jetzt! Nicht vorher, als es schon auch genug Gründe gegeben hätte. Und: Sie könnte dennoch mit ihrer Prominenz vielleicht noch was bewegen. Nur das tut sie natürlich nicht — man versucht nichtmal auf anderem Wege mit vielleicht einer neuen Partei etwas zu ändern. Man tritt aus der Partei einfach aus und das wars — und hofft, die Partei würde daraus irgendwas lernen. Nur der Partei ist das wurscht, denn Dissidenten, die einfach verschwinden und nie wieder auftauchen, sind ja was Wunderbares für die Partei. So ein Austritt ist langfristig erfreulich für den Apparat und warum sollte man aus einer Wohltat etwas lernen?
Grausliche Parteien
Es ist aber auch generell ein Problem der österreichischen Linken. Der antifaschistische Reflex ist verständlich. Die FPÖ ist eine grausliche Partei und man braucht gar nicht zu versuchen, sie sich schönzureden. Meine Einschätzung dieser Partei darf ich hier gar nicht hinschreiben, weil das dann klagsfähig wäre.
Doch darum geht es nicht. Die ÖVP ist auch grauslich. In Österreich gibt es nur Koalitionen aus Parteien, die entweder grauslich oder feig sind. Es ist schon wurscht. Und ich sehe eigentlich nicht ein, wieso ein Herr Voves, der mit seiner Drüberfahrkoalition in der Steiermark diesen FPÖ-Erfolg erst möglich gemacht hat; …. Ein Herr Voves, der sich von der ÖVP — explizit oder nur per Andeutung — erpressen läßt und als Vorsitzender der stärksten Landtagspartei seinem Koalitionspartner den Landeshauptmann schenkt, damit dieser eine Regierung anführen kann, die weiter reformpartnert, noch radikalere Austeritätspolitik fährt und damit auch weiter die FPÖ anfüttert; … Wieso also wird ein solcher SP-Landesoberindianer von vielen Linken nun als Beispiel eines integren Politikers gefeiert?
Wäre die FPÖ wirklich die neue NSDAP, wie sie von vielen gesehen wird, würde ich dieses Verhalten ja noch verstehen. Aber Strache ist kein Hitler, sondern nur ein Bumsti und vor allem: Hinter ihm steht nicht das Großkapital und es ist weder irgendwo ein Hindenburg zu finden noch eine andere rechte Partei, die so blöd wäre, ihn zum Kanzler zu machen. Die FPÖ dürfte ja doch nur wieder Beiwagerl bei der ÖVP sein. Also was soll dieses Starren des Kaninchens auf eine Schlange, die unbeachtet eigentlich nur das Zeug zum Regenwurm hätte?
Jobs, Jobs, Jobs
Szenenwechsel! Oberösterreich und Wien: Die mitregierenden Grünen wollen vom jeweiligen Landeshauptmann (einmal Rot, einmal Schwarz) das Zugeständnis, daß er sich doch deklarieren möge, daß nach der Wahl die gleiche Koalition weitergeführt werde. Und Häupl und Pühringer sagen unisono: ‘Mir wurscht, ich laß euch betteln.’ Also bitte, eine selbstbewußte Partei bettelt doch nicht. Aber da geht es halt auch um Posten. So wie es bei der Nichtspaltung der SPÖ auch um Posten geht. Genauso wie das der eigentliche Grund für die gar so moralische Empörung der burgenländischen ÖVP ist, die diesmal leider- leider durch die Finger schaut. Das läuft halt bei den Grünen genauso. Wir haben eine Politikerkaste, die nicht für Inhalte brennt, sondern für Jobs.
Linke aller Parteien, vereinigt Euch!
Und damit schließt sich der Kreis: Denn natürlich tauchte prompt wieder die Forderung nach einer brauchbaren linken Partei auf. Einmal abgesehen davon, daß sich da natürlich wieder einmal die steirische KPÖ empfahl, die halt bundesweit kaum jemand wählt, und es auch sehr fraglich ist, ob man eine solche Partei gründen solle, wenn diese sich ab ovo gleich als alternativer Koalitionspartner anbieten wollte, ist die Notwendigkeit einer solchen Partei natürlich gegeben. Nur: Das Lamento darüber, daß es eine solche Partei eigentlich geben müßte, höre ich jetzt schon seit gut 20 Jahren, als klar geworden war, daß die Grünen das eben nicht sind. Und immer wieder erlebe ich die Versuche, diese irgendwie herbeizubeten. Aber funktionieren tut das nicht. Nicht in Österreich. In Österreich gibt es selten schlagkräftige Bewegungen, die nicht von vornherein mit einer Partei verbandelt sind und daher auch zur Gründung einer neuen Partei führen können — einzige Ausnahme sind da eben die Grünen. Ansonsten werden in Österreich immer nur dann neue Parteien in den Gremien etabliert, wenn sie von Personen getragen werden, die von vornherein als Mandatare oder zumindest Funktionäre in diesem System verankert sind — wie wir das bei LIF, BZÖ, TS oder Neos erlebt haben.
Eine Bewegung gibt es nicht. Und sie wird auch nicht entstehen. Also geht es nur, wenn die Linken bei der SPÖ oder auch den Grünen, die noch irgendwo ein Mandat haben, sich von ihren alten Parteien verabschieden und ein neues Projekt etablieren. Aber dazu sind sie ja dann doch alle zu feig. Weil da hängen Jobs dran. Aber nicht allein Jobs, sondern auch Freundschaften. Denn der Parteifreund ist oft genug nicht — wie es im Bonmot heißt — schlimmer als der Feind, sondern häufig wirklich ein echter Freund und Parteien sind natürlich auch so etwas wie Familie. Gerade in der Sozialdemokratie ist diese Verbundenheit enorm stark. Und diese Familie will man nicht verraten — selbst dann nicht, wenn man von ihr nie profitiert hat und immer nur als schwarzes Schaf angesehen worden ist.
Und deswegen bleiben sie alle in dem selben Boot. Bis es untergeht. Wenn dann aber wirklich einmal eine schwarzblaue Koalition sich stabilisiert — und nicht so etwas wie diese Farce 2000-2007 — und diese dann langfristig einen asozialen, neoliberalen, nationalistischen und klerikalen Polizeistaat etabliert, dann werden genau diese Sozialdemokraten, die sich heute über die FPÖ erregen, aber nie bereit waren, sich gegen autoritäre Politikmache zu empören, sagen, daß sie es gleich gewußt hätten.
Danke für die Aufmerksamkeit! Und posthum danke, Genosse Sinowatz, für dein Zitat! Auch wenn Du es vielleicht nie so gesagt hast.
Bernhard Redl