Eine grüne Presseschau
(aus der Druckausgabe 6/2015)
Die Grünen streiten ja nicht mehr. Sprich: Es dringt kaum etwas nach außen – und was man so hört, sind oft genug Spekulationen von Journalisten. Die betreiben etwas, was man zu Sowjetzeiten „Kremlastrologie“ genannt hat. Und: Sie pushen bestimmte Inhalte, Positionen, Koalitionsvarianten und Personalentscheidungen. Man erinnere sich an die tagelange Berichterstattung mit schon kampagnenhaften Zügen der „Salzburger Nachrichten“, als es darum ging, die schwarz-grün-stronachische Landesregierung zu installieren.
Die Richtung Schwarz-Grün wird generell gerne von den großen Medien gepusht. Letzten Mittwoch zum Beispiel durfte man auf Ö1 eine Sendung hören, deren Ankündigungstext seltsam klang: „Klartext. Ein Beitrag zur Streitkultur. Ein Streitgespräch über die schwarz-grüne Entfremdung zwischen Eva Glawischnig, Die Grünen, und Reinhold Mitterlehner, ÖVP“. Die Sendung selbst war eher mau, die Spitzen von Grün und Schwarz einigten sich gepflegt darauf, daß sie in der Flüchtlingsfrage sich nicht einigen können. Doch der Ansatz der Sendung ist interessant: Wieso Entfremdung? Gut, diese beiden Parteien kooperieren bisweilen auf Landes- und Kommunalebene, aber trotz aller grünen Bürgerlichkeit habe ich das eigentlich bislang nicht als enge Partnerschaft empfunden, die überhaupt unter Entfremdung leiden könnte.
„Reserve-Eva“
Es ist wohl mehr als Zufall, daß eine solche Sendung kurz nach der Demontage der Chefin der als links eingeordneten Wiener Grünen als stellvertretende Parteivorsitzende und statt ihrer der Installation von Ingrid Felipe, dem grünen Beiwagerl in der schwarzgeprägten Tiroler Landesregierung, passiert. Und es ist wohl auch kein Zufall, daß in Folge dessen im „Standard“ ein Portrait von Felipe in Form ihrer Charakterisierung als zukünftige Bundeschefin gerät: „Hinter vorgehaltener Hand wird in Wien inzwischen erzählt, dass die Tirolerin längst nicht nur die Reservefrau sei. Ganz im Gegenteil: Felipe werde gerade als neue Bundessprecherin in Stellung gebracht. Wenn Glawischnig nicht mehr will, soll sie die neue Eva werden.“ Und solche Artikel tragen natürlich das ihre bei, daß derlei noch viel mehr erzählt wird.
Nein, natürlich ist derlei nicht koordiniert, es gibt nicht die Verschwörung der Lügenpresse, aber es zeigt doch, wohin bestimmte Medienvertreter die Grünen anscheinend hinhaben wollen: Die bisherige Eva hat trotz großem Bemühen keine Koalition mit der ÖVP zustandegebracht, also soll es eine neue Eva bringen.
Aber vielleicht höre ich da das Gras wachsen.
Spannend aber ist in dem Zusammenhang sicher das jüngste Statement von Peter Pilz. Hatte er vor kurzem der Partei noch empfohlen, in Richtung „Linkspopulismus“ abzubiegen, kommt der ewige Ich-reformiere-die-Grünen-über-die-Medien-Pilz wieder ganz anders daher: „Seine Partei dürfe die zur Protestwahl bereiten Menschen nicht der FPÖ überlassen, so Pilz. Die Sorgen der Bevölkerung müssten ernst genommen werden. Pilz nannte konkret Sorgen bezüglich des Arbeitsplatzes und dort, wo zu befürchten sei, dass die ‚Schulen nicht mehr so funktionieren wie früher‘, Sorgen bezüglich der öffentlichen Sicherheit und von Frauen, die sich in bestimmten Situationen unsicher fühlten“ zitiert ihn „orf.at“. Und siehe da, da interviewt man auch gleich nicht Glawischnig sondern: „Die gerade gewählte Vizeparteichefin Ingrid Felipe hält es zwar für notwendig, die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen. Das heiße aber nicht, dass man sie verstärken, sondern dass man sie nehmen solle, so die Landeshauptmann-Stellvertreterin in Tirol gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.“
Also wächst das Gras vielleicht doch recht laut.
Reizthema Drogenpolitik
Beim Thema Drogenpolitik spielt es sich momentan auch gerade ab. Seit Anfang dieses Jahres gilt ja eine Strafrechtsnovelle, deren entkriminalisierende Wirkung vor allem im Bereich des Drogenhandels heftig kritisiert wird. Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser führt dazu auf seinem Blog aus: „Derzeit wird wieder da und dort die Verschärfung der Gewerbsmäßigkeit im Strafgesetzbuch gefordert. Früher hat die Unterstellung genügt, dass durch die wiederkehrende Begehung von Straftaten (Diebstahl, Drogendelikten etc.) eine fortlaufende Einnahme erzielt wird. Das alleine hat zu einer höheren Strafe und des öftern zur Untersuchungshaft wegen geringster Straftaten (Stichwort: Diebstahl von zwei Parfümflaschen) geführt. Die spezifische reflexartige Anwendungspraxis hat besonders MigrantInnen deshalb schneller in Untersuchungshaft gebracht als ÖsterreicherInnen. Mit der Reform wird die Gewerbsmäßigkeit genauer definiert und an konkrete Voraussetzungen (…) geknüpft. Das war unter allen namhaften Strafrechtlern unbestritten und wurde außer von der FPÖ von allen Parteien begrüßt. Die Polizei hat das nicht gefreut. Sie verlässt ungern kriminalpolitische Trampelpfade. Am liebsten wäre ihr, würde die Änderung wieder zurückgenommen“. Ähnlich äußerte sich in einer Aussendung auch die grüne Wiener Sozialsprecherin Birgit Hebein. ( Siehe auch Birgits prinzipiellen Überlegungen dazu: http://birgithebein.at/2016/02/restriktive-drogenpolitik-fuehrt-zu-schwarzmarkt-und-gefuehlen-des-bedrohtseins-ja/ )
Aber was hat das mit grüninternen Richtungsstreits zu tun? Nunja, Steinhauser schreibt über die Situation in Wien auch Folgendes: „Dort gibt es rund um die U-Bahnlinie U6 eine sichtbare Drogenszene. Die gibt es nicht erst seit dem 1. Jänner dieses Jahres. Sie wandert seit Jahrzehnten durch die Stadt und verlagert sich örtlich immer wieder. Die Wiener Polizei erzählt besorgten BezirkspolitikerInnen und Eltern jetzt, dass die Änderung der Gewerbsmäßigkeit Schuld an der Entwicklung habe. Es sei jetzt viel schwerer Verhaftungen vorzunehmen.“ Doch meint Steinhauser vor allem wohl einen konkreten Bezirkspolitiker damit, den grünen Neubauer Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger. Der hatte einen recht seltsamen Brief geschrieben, den „Die Presse“ mit Genuß zitierte: „Vor einer ‚offenen Drogenszene entlang der U-Bahn-Linie 6, die besorgniserregende Ausmaße angenommen hat‘, warnt Thomas Blimlinger, Bezirksvorsteher im siebten Bezirk (Grüne), in einem Schreiben an Schulen und Eltern. Die aktuelle Situation sei ‚vollkommen inakzeptabel‘. […] Erschwert werde die Arbeit der Polizei aber durch das neue Suchtmittelgesetz, das seit Anfang des Jahres in Kraft ist. Wurde ein Straßendealer früher mit Drogen erwischt, habe das in der Regel für den Vorwurf der Gewerbsmäßigkeit ausgereicht, und die Dealer hätten die Szene freiwillig verlassen. Durch das neue Gesetz liegt Gewerbsmäßigkeit erst dann vor, wenn nicht nur eine Tat, sondern zwei weitere konkret geplant oder begangen wurden. […] ‚Dazu kommt, dass die Drogenszene neue Strategien anwendet, indem sie unter anderem mehr in Großgruppen, gleichzeitig, völlig offen und zuletzt leider auch aggressiver auftritt‘, schreibt der Bezirkschef.“
Nicht genug, daß die Presse am 23.Februar ohne jegliche Objektivitätsansprüche Blimlinger so ausführlich zu Wort kommen läßt, setzt sie zwei Tage später noch nach mit einem „‚Presse‘-Lokalaugenschein am neuen Drogen-Hotspot Wiens“ mit Blimlinger. Dort ist ganz exclusiv mit anderen Worten noch einmal zu lesen, was schon im Blimlinger-Brief stand: Daß die Drogendealer alle so arg, die Polizei so arm und die Gesetzgeber so fehlgeleitet seien.
Über die Bande
Polizei, Presse und bestimmte Grüne pushen also gemeinsam eine Wiederverschärfung eines an sich schon rigiden Drogenstrafrechts. Generell ist auffällig, daß der Richtungsstreit innerhalb der Grünen wieder sehr heftig aufflammt, aber über Bande, sprich: die Medien, geführt wird. Selten werden explizit Parteifreunde attackiert und dennoch ist klar, daß es in der Partei heftig gärt. Ein solcher Richtungsstreit ist auch dringend notwendig, damit die Grünen endlich einmal wieder eindeutige Positionen vertreten. Das Problem dabei ist: Die mediale Unterstützung in diesem Streit ist der rechten, staatstragenden und ÖVP-nahen Fraktion (und natürlich Peter Pilz) sicher, während der linke Flügel sich hauptsächlich durch wenig gelesene Aussendungen und Blogeinträge wehren kann.
Also wer da das Gras nicht wachsen hört, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Bernhard Redl