Grundeinkommen: Was falsch läuft

Es geistert wieder durch die Medien: „Finnland startet bedingungsloses Grundeinkommen“ Vielmehr als den Inhalt der Schlagzeile erfährt man in den meisten Artikeln dazu nicht. Dabei stimmt eigentlich gar nichts an diesem Hype.

2015, als die neue, stark rechts orientierte Koalitionsregierung ins Amt kam, redete sie schon von einem Grundeinkommen, dachte da aber noch mehr an eine Negativsteuer – was mit der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens genau gar nichts zu tun gehabt hätte. Nun ist man In Finnland soweit, doch mit einem echten Grundeinkommen zu experimentieren. Das sind aber immer noch Absichtserklärungen, 2017 oder 2018 eine Art Sozialversuch zu starten. Dieses Experiment würde aber eben nur eine ganz kleine Gruppe von Menschen betreffen, derzeit ist von zehn- oder zwanzigtausend die Rede, aufgeteilt in zwei Gruppen, deren genaue Beschaffenheit auch noch nicht klar ist. Was aber klar ist, ist, daß es sich dabei um nichts anderes als einen soziologischen Großversuch handelt, um zu testen, wie Menschen in so einem Fall reagieren.

Mit einem Sozialprojekt hat das Ganze aber immer noch nichts zu tun – denn bei diesem „bedingungslosen Grundeinkommen“ fehlt der extrem wichtige Zusatz „existenzsichernd“. In Finnland redet man nämlich von einem Grundeinkommen im Bereich zwischen 550 und 800 Euro – angesichts des finnischen Preisniveaus ist da sogar der Höchstwert weit unter der österreichischen Mindestsicherung. Da mit diesem Grundeinkommen aber beinahe sämtliche Sozialleistungen wegfallen sollen, wären finnische Arbeitslose in den meisten Fällen ökonomisch schlechter gestellt als bisher – aus der Möglichkeit, sich trotz Transferzahlung ohne Abschläge etwas dazuzuverdienen wird bei diesem Modell ein: „Suche Arbeit, mache alles!“

Das dennoch in deutschsprachigen Medien von der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens in Finnland die Rede ist, kann viele Gründe haben. Hat das neoliberale schon die Hegemonie über diesen Begriff? Könnte man das Mißverständnis auf Übersetzungsfehler zurückführen – wer kann schon Finnisch? Oder liegt es an der Unkenntnis der vorliegenden Sozialkonzepte für ein echtes EBGE. Oder auch daran, daß manche industrienahen Kreise großes Interesse an diesem Mißverständnis haben und überforderten Redakteuren diese Idee mittels Presseaussendungen nahebringen wollen?

Schweizer Initiative am 5.Juni

Auffallend ist, daß die Berichterstattung über das finnische Modell nicht nur qualitativ äußerst mangelhaft ist, sondern auch quantitativ viel intensiver als über das Schweizer Modell – obwohl die eidgenössische Version bereits weitaus konkreter ist als die finnische. Es könnte natürlich auch daran liegen, daß dem Schweizer Modell, wie es am 5.Juni dort als Volksinitiative abgestimmt wird, weitaus weniger Chancen auf Realisierung gegeben werden, wird doch die Initiative von den beiden Kammern des Parlaments abgelehnt, hat keinerlei potente Fürsprecher und genießt selbst in der Schweiz nicht die gebührende Beachtung für ein Abstimmungsthema. Inhaltlich ist es aber alles andere als zurückhaltend: Ein Verfassungsgesetz wird angestrebt, wonach der Gesamtstaat Schweiz für ein bedingungsloses Grundeinkommen zu sorgen habe und es soll kein Almosen sein: „Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.“

Darüber müßte mehr geredet werden – und nicht über Finnland. Denn sonst verkommt die Idee des EBGE zum Königsweg der Neoliberalen zur Zerschlagung des Sozialstaats.

Bernhard Redl

Ein Kommentar zu „Grundeinkommen: Was falsch läuft

  1. eine differenzierte debatte wäre auf jeden fall sinnvoll, denn das bge kann auch nur ein zwischenschritt sein, weil es ja die grundlegende frage nach dem eigentum bzw. der verfügung über die produktionsmittel nicht im geringsten löst.

    was nutzt ein bge, wenn alles andere schon den konzernen gehört und die einfach die preise für mieten usw. entsprechend anheben …

    es hat nich jeder die gleichen grundkosten, weshalb es als alternativmodell bzw. fortentwicklung auch die idee der social commons gibt.

    widersprüche und unvollkommenheiten im eigenen ansatz zuzugeben kann daher nur gut sein uns stärkt die eigene glabuwürdigkeit. leider schaden da möglicherweise viele bge-propagandisten durch ihre oberflächliche stimmungsmache eher der guten sache …

Hinterlasse einen Kommentar