Ein Bravo für alle – eine Idi-Demo-Nachlese in Gratulationen

[Duckausgabe 16/2016]

Zuallererst muß man natürlich dem antifaschistischen Widerstand gratulieren. Eigentlich wollten die Idis ja nach Schönbrunn. Geschafft haben sie etwa 700 Meter bis zum Westbahnhof – und zwar trotz polizeilichem Räumkommando. Dafür brauchten sie geschlagene 3 Stunden. Die Strategie, die sich hauptsächlich aus der Gruppendynamik entwickelte, nicht nur die angenommene, sondern sämtliche denkbare Routen der Idi-Demo zu blockieren, was der Polizei verunmöglichte, die Idis irgendwo unbemerkt durchzuschleusen, war äußerst erfolgreich.

Ein Bravo an die Idis

Aber auch den Idis ist zu gratulieren. Explizit tat das Armin Wolf via Facebook. In einem lesenswerten privaten Statement auf Facebook erläuterte der ZiB2-Anchorman das so: „Es ist einer der erfolgreichsten Fälle von politischem Product-Placement, den ich je gesehen habe: Seit einiger Zeit gibt es auch in Österreich einen rechtsextremen Verein, der sich inhaltlich nicht weiter von jeder x-beliebigen schlagenden Burschenschaft unterscheidet und zahlenmäßig jedenfalls nicht größer ist“. Wolf möchte sich „gar nicht vorstellen, wie sehr sich die paar Typen seit Tagen über den Erfolg ihrer Medienarbeit abhauen“. Was ihm dabei ein „völliges Rätsel“ sei: „Warum nahezu alle Medien (auch jenes, für das ich arbeite), in diesem Ausmaß auf die so offensichtlich kalkulierte PR-Masche der Rechtsextremen einsteigen und sich davon instrumentalisieren lassen. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht über die Störaktionen berichten soll, wenn sie berichtenswert sind. Aber warum nicht schlicht: ‚Rechtsextreme haben gestern Abend an der Uni Klagenfurt eine Lehrveranstaltung gestört und dabei den Rektor tätlich angegriffen.‘ Ende. Kein Vereinsname, kein Logo, keine Videos, keine Werbung.“

Die naheliegende Analogie zu diesen Mechanismen erwähnt Wolf aber nicht: Vor 30 Jahren bekam eine Miniparlamentspartei, die wahrscheinlich die nächste Nationalratswahl nicht überlebt hätte, einen neuen Obmann. Und der fiel hauptsächlich durch braune Rülpser auf. Hätte man diesen keine Beachtung geschenkt, wäre die FPÖ heute nur mehr ein Randthema für Historiker. Aber jede provokante Meldung Haiders war halt eine „G’schicht“.

Bei den Idis verstärkt sich der Effekt dadurch, daß Verbindungen zur FPÖ existieren, die von beiden Seiten zwar geleugnet werden, aber dennoch offensichtlich sind – und schon wieder hat man Geschichten.

Und: Wäre die jetzige Idi-Demo von der Antifa völlig ignoriert worden, hätte sich der Informationsimpact der Aktion auf den Ö3-Verkehrsdienst beschränkt. Das Problem: Genausowenig wie man von der Antifa verlangen kann, diese Gruselpartie mit Mißachtung zu strafen, kann man von den Massenmedien erwarten, sich eine Geschichte entgehen zu lassen. Mit einer schlichten Kurzmeldung, wie von Wolf vorgeschlagen, wird es nicht abgetan sein. Selbst wenn der große ORF, der sich eine solche Informationspolitik leisten könnte, dies alleine durchziehen wollte, bekäme er massive Kritik von links zu hören, daß er nicht ausführlich über rechtsextreme Gefahren berichte.

Protest ist heute weitgehend rechts hegemonialisiert – es zeigt sich wieder einmal, daß die Linke sich vor allem einmal auf ihre eigenen Themen konzentrieren müßte, um eigenständige Aktionen setzen zu können, die nicht reaktiv auf die extreme Rechte sind. Nur so kann die Hegemonie über die Protestkultur der extremen Rechten entrissen werden.

… und an die Polizei

Der Polizei ist übrigens auch zu gratulieren. Der oft zu hörende Vorwurf, sie hätte „chaotisch“ agiert, ist nämlich komplett falsch. Die Polizei konzentrierte sich auf ein einziges Anliegen: Den Idis die Straße freizumachen. Der Pfeffersprayeinsatz war nicht zur Abwehr von Angreifern gedacht – auch wenn tatsächlich so einiges in Richtung des gemischten Polizei-Idi-Blocks gefogen ist – sondern, nach meiner direkten Beobachtung und den unzähligen Videos davon, als Angriffsmittel zur Räumung von Blockaden. Daß die Beamten bisweilen in ihre eigenen Tränengaswolken gelaufen sind, mag ein Schönheitsfehler gewesen sein, zumeist erinnerten sie aber eher an eine englische Schützenformation des 18.Jahrhunderts, als sie mit der Waffe in Vorhalte auf den ausgemachten Gegner zumarschiert sind. Der Pfefferspray-Einsatz war nicht eine „individuelle“ Abwehrmaßnahme, wie die LPD Wien twitterte, sondern organisiert und zielgerichtet. Wenn der Polizeisprecher Keiblinger behauptet, dazu hätte es keine Order gegeben, ist das komplett unglaubwürdig – es sei denn, die Polizei entwickelt mittlerweile basisdemokratische Strukturen, wo man sich das im Plenum so ausmacht.

Auch die Kesselungstechnik der Polizei hat sich verbessert. Die Gegendemo wurde mittels Pfefferspray in die Goldschlagstraße gedrängt und dort binnen kürzester Zeit unter Verwendung der Häuserfronten ein Kessel zugezogen, um die Mobilität der Gegendemo einzuschränken – der schnelle Einsatz war kaum vorhersehbar und geschah im Rücken der Gegendemonstranten.

Die Polizei agierte generell ganz offensichtlich auf höhere Order hin. Bekanntermaßen werden in Wien linke Demos oft aus völlig fadenscheinigen Gründen untersagt oder in Nebengassen abgelenkt – weil der Verkehr behindert werden könnte, zum Beispiel. Am Gerücht, daß Karl Öllinger via Facebook verbreitete, daß die Polizei hätte untersagen wollen, das Innenministerium hier jedoch anders entschied, dürfte daher etwas dransein. Ansonsten ist das Verhalten der Polizei, sich auf das Durchboxen der Demo zu konzentrieren unter völliger Mißachtung des innerstädtischen Chaos, das dadurch hervorgerufen wurde, kaum zu erklären. Auch das nicht so richtige Dementi des Polizeisprechers im Ö1-Mittagsjournal spricht für diese Annahme.

Ach ja und da war dann noch etwas – für die Rechtsauskunft des Polizeisprechers, warum die nächtliche Spontandemo der Idis nicht unterbunden wurde, bedanken wir uns natürlich auch recht herzlich: „Weil es hier keine gesetzliche Grundlage gibt. Alleine das Nichtanmelden reicht nicht aus, diese Versammlung gewaltsam aufzulösen.“ Das merken wir uns fürs nächste Mal!

… und an den ORF

Zugegeben: Die Performance des ORF ließ zu wünschen übrig. Roman Rafreiders Erklärung der Geschehnisse mittels Extremismus-These in der ZiB20 am Samstag war eher bedenklich: „Linksextremisten“ hätten sich da mit
„Rechtsextremisten, die gegen die Flüchtlingspolitik“ demonstriert hätten, geprügelt und die Polizei hätte versucht, „Schlimmeres zu verhüten“. Der Bericht in der ZiB2 am Montag war da schon weitaus differenzierter. Gratulieren muß man dem ORF allerdings zu seiner Berichterstattung über die Androhung der Idis gegen den ORF selbst rechtliche Schritte zu unternehmen. Die Formulierung auf ORF.at läßt da wirklich nichts zu wünschen übrig: „Die rechtsextremen Identitären wollen nach der Demonstration am Samstag in Wien gerichtlich gegen die mediale Berichterstattung über sie vorgehen. … Die ‚Verleumdung der Identitären als Neonazis und Rechtsextreme‘ werde Konsequenzen haben, kündigten die Rechtsextremen an. ‚Diesmal wurde der Bogen eindeutig überspannt‘, meinte Patrick Lenart, einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung.“ Der ORF-Bericht basierte auf einer APA-Aussendung, bei der man aber konsequent jede neutrale Bezeichnung durch die APA für die Idis mit dem Wörtchen „rechtsextrem“ ergänzte. ORF.at hätte auch gleich schreiben können: „Und ihr seids doch Nazis! Bäh!“ So aber ist das natürlich eleganter.

….und an die Firma Hoernecke

Der Firma Hoernecke ist auch zu gratulieren. Denn der Polizeieinsatz war nicht nur eine gute Werbung für die Idis, sondern auch eine wirklich gelungene Produktpräsentation des Magdeburger Pfefferspray-Produzenten. Deren Marke „TW1000“ war auf zig Pressephotos gut zu sehen. Wer sich über das Produkt informieren will, findet im Netz dann auch Interessantes. Das Spray ist nämlich nicht als mannstoppendes Abwehrmittel konzipiert, sondern durchaus dazu, als Distanz- und damit Angriffswaffe auch längerfristige Schäden zu verursachen: „TW1000 Pepper-Gel Abwehrsprays erzeugen einen kompakten ballistischen Gelstrahl mit maximaler Reichweite, welcher sich durch seine hohe Viskosität (Zähflüssigkeit) weitgehend windstabil verhält. Der zielgenaue Strahl ermöglicht ein treffsicheres Sprühen und seine guten Haftungseigenschaften erzielen eine nachhaltige Wirkung.“ Anzumerken ist, daß die Halbliterflaschen der Polizei im Einzelhandel satte 80 Euro kosten. Und daß das Produkt – wie alle Pfeffersprays – in Deutschland nur zur Tierabwehr zugelassen ist und dort nicht zum Zweck erworben werden darf, gegen Menschen eingesetzt zu werden.

… und an das Mumok

Dem Museum für moderne Kunst ist auch zu gratulieren: Für die späte Erkenntnis, daß man gewissen Leuten keine Bühne geben solle. Die Gruppe „Wiener Achse“ (Eigendefintion: „Bewegung, die das Bewusstsein für Ästhetik und Unabhängigkeit in allen Gesellschafts- und Bildungsschichten zu erweitern anbietet“) hatte eine Veranstaltung im Mumok mit dem Idi-Chef Martin Sellner angekündigt. Der sollte dort am 14.Juni unter anderem mit Marc Jongen, dem Chefideologen der AfD, über das Thema „Markt der Ideologie“ diskutieren. Erst nach Protesten zog das Mumok die Notbremse und sagte die Veranstaltung ab. Die Begründung zeugt allerdings nicht davon, daß man beim Mumok verstanden hat, warum es diese Proteste gibt, sondern hauptsächlich aus Sicherheitsgründen will man dieses Gespräch nicht in den Räumen des Museums abhalten: „Bei Veranstaltungen, an denen Vertreterinnen und Vertreter von extremen politischen Gruppierungen teilnehmen, ist – wie aktuelle Ereignisse zeigen – mit Störaktionen zu rechnen. Ausschreitungen und die Anwendung von Gewalt können nicht ausgeschlossen werden“. Das Museum verfüge „auch nicht über die Einrichtungen, um für eine solche Fremdveranstaltung die erforderlichen Sicherheiten für die Personen und die zahlreichen Kunstwerke zu bieten.“

Die ästhetische Bewegung selbst hat allerdings noch weniger verstanden als die Leitung des Mumok. Die Wiener Achse bedauert, daß dieser Beitrag zu ihrer Gesprächsreihe „WAT“ „aufgrund angedrohter Gewalt nicht stattfinden“ könne: „Es war als Seismograph in einer Demokratie und ihrer aktuellen politischen Entwicklung angedacht, komplementär zu den diversen künstlerischen Diskursen, welche das Format WAT in der Vergangenheit angestoßen hat. Die Intention der Wiener Achse im Format WAT ist es, einen Raum zu bieten, in dem ein angstfreier Austausch stattfinden kann.“ Angstfrei mit Sellner und Jongen (und ohne echtes politisches Gegengewicht auf dem Podium) diskutieren – für die Chuzpe ist der Wiener Achse auch zu gratulieren.

Demnächst in diesem Theater

Kommenden Samstag kommt es wohl gleich zu zwei solchen Gespensterzügen. Zum einen wollen da die Idis in Berlin demonstrieren, was wohl ähnliche Folgen haben wird wie in Wien. Zum anderen sind in Wien die Katholisten wahrscheinlich wieder unter Beteilung polnischer Nazis wie schon 2014 und 2015 unterwegs. Der „Marsch für die Familie“ (siehe Bericht nebenan) wird wohl wieder die Auftragsbücher der Firma Hoernecke füllen. Wem sonst noch zu gratulieren sein wird, bleibt abzuwarten.

Bernhard Redl

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