#Uhugate: Keep it simple, stupid!

[Druckausgabe 19/2016]

Unser Innenminister ist schon lustig. Sein Sager „Das ist ein technisch äußerst komplexes Kuvert“ ist im Netz ja bereits viral. Jetzt kommt er darauf, daß man eigentlich ein stinknormales Kuvert, ähnlich denen, wie sie der Papierfachhandel anbietet, auch hätte nehmen können. Warum hat man dann eigentlich überhaupt diese „Hi-Tec“-Produkte verwendet? Hat da irgendwer extra daran verdienen wollen?

Trotz aller Schlampereien bei den Wahlkommissionen, die im Zuge der Verfassungsgerichtshofsentscheidung bekannt geworden sind, wurde doch auch klar, daß die klassische Abstimmung im Lokal immer noch das sicherste Wahlverfahren ist. Warum? Weil es transparent und einfach ist. Die Einführung des Briefwahlsystems hat das alles ein wenig kompliziert, aber auch dieses hätte man einfacher gestalten können. Unabhängig von „Uhugate“ sind auch bislang schon viele Stimmen für ungültig erklärt worden, weil das Außenkuvert falsch ausgefüllt, nicht unterschrieben oder sonst irgendwie formal fehlerhaft war.

Die ganze Geschichte erinnert an die berüchtigten Wahlmaschinen, die bekanntermaßen auch „technisch äußerst komplex“ sind und kaum durch eine Wahlkommission zu kontrollieren. Auch diese Maschinen sind vor allem eines: Ein großes Geschäft für die Hersteller. Und viele Staaten, die diese Maschinen eingeführt haben, haben sich eine Vereinfachung und Verbilligung des Wahlsystems erhofft, weil man damit den menschlichen Faktor verringern konnte. Es wurde nur weder einfacher noch billiger und schon gar nicht sicherer.

Da ist auch der große Wunsch nach Modernisierung. Da braucht es gar keine Verschwörungstheorien bezüglich Manipulationsmöglichkeiten durch die Obrigkeit, die Entscheidungsträger scheinen manchmal getrieben von Hypes —
in unsere digitalen Welt könne man doch nicht mit simplen Kuverts wie vor hundert Jahren wählen. Wenn schon keine elektronischen Wahlmaschinen, dann doch wenigstens Kuverts, die was hermachen. Schließlich leben wir im 21.Jahrhundert!

Doch einfache Wahlsysteme sind nicht von gestern, sondern sehr modern. Denn in der digitalen Welt hat man gelernt, daß hochkomplexe Systeme fehleranfällig sind und man gerade in der Software-Entwicklung doch zum KISS-Prinzip zurückkehren sollte. Dieses Akronym kennt mehrere Auflösungen wie „Keep it simple, stupid!“ oder „Keep it simple and smart“ oder „Keep it short and simple“. Allen Interpretationen ist aber gemein, daß es darum gehen muß, Systeme — egal, ob es jetzt um Software oder Bürokratie geht —
möglichst einfach zu gestalten, um sie überschaubar, funktional und transparent zu halten. Natürlich stehen dem die kulturell sehr wirksamen Modelle der hypertrophen IT-Systeme á la Microsoft gegenüber. Nur: Muß man sich von diesen kommerzgetriebenen Hypes beeinflussen lassen?

Umgekehrt: Sachen möglichst umständlich zu machen ist eine uralte Tradition in Österreich. Die Macht des bürokratischen Apparats beruht — noch aus k.u.k.-Zeiten — nicht zuletzt darauf, auf komplexe Probleme noch viel kompliziertere Antworten zu finden, die nur noch die Experten verstehen. Volksnah, transparent oder gar modern ist anders.

„Es ist alles sehr kompliziert“ — dieser Satz wird hämisch Fred Sinowatz unterstellt. Der Satz ist aber schon richtig. Unsere Welt ist kompliziert und einfache Antworten sind oft fehl am Platz. Das Einfache hat daher einen gewissen Hautgout. Aber deswegen muß das Umständliche nicht unbedingt besser sein.

Bernhard Redl

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