Heute ist der 100.Jahrestag der formal uneingeschränkten Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit in Österreich. Außerdem wurde heute vor 100 Jahren der Kaiser qua Ignorierens abgesetzt. Aber feiern will das niemand.
Der heurige Nationalfeiertag war schon ein bisserl sehr speziell — sicher, großteils the same procedure like every year, aber die Details waren auffällig anders. Der Kanzler ist ein Schwarzer, der ein Türkiser sein will. Dem fällt sogar zum Republiksjubeltag nichts anderes ein, als daß es die vorrangigste Aufgabe der Regierung sei die „ilegale Migration zu stoppen“. Dann haben wir heute einen Heeresminister, der behauptet, seine Parteifarbe sei Blau. Ein ehemals grüner Bundespräsident erklärt hingegen, daß das Bundesheer aufgerüstet werden müsse. Dieses indes geniert sich in der Wiener Innenstadt noch weniger bei der Kinderindoktrination und präsentiert grüne Panzerluftballons — und meint in Graz sogar Kampfhandlungen nachstellen zu müssen. Der neue oberste General betont bei der Gelegenheit mit Verve, daß es endlich damit vorbeisein müsse, das Bundesheer als Katastrophenhilfswerk zu sehen, sondern als richtiges Militär anerkannt werden müsse, dessen primäre Aufgabe das sein solle, was offiziell so unter „Landesverteidigung“ firmiert. Und über dem ganzen Event schwebte das großartig Feierliche, daß es demnächst hundert Jahre her ist, daß die Republik ausgerufen worden ist.
Aber was feiern wir da eigentlich am Nationalfeiertag? Böse Menschen meinen, man hätte heuer den 170.Jahrestags der Beschießung des revolutionären Wiens durch kaiserliche Truppen gefeiert, aber das wirds wohl nicht sein. Offiziell heißt es ja, der Beschluß des Neutralitätsgesetzes wäre der Grund. Wirklich aber wird gefeiert, daß man an diesem Tag endlich diejenigen los geworden ist, die Österreich von der Nazimacht befreit haben — an diesem Tag wurden wir befreit von den Befreiern quasi. Ist also nicht wirklich so toll.
Da gibts dann Leute, die sagen, der 8.Mai wäre ein passenderer Nationalfeiertag. Naja, da könnten wir dann feiern, daß das österreichische Volk wie ein Mann aufgestanden ist, die Wiedererstehung der österreichischen Republik gegen die deutschen Nazis durchzusetzen — blöd nur, daß das halt nicht so ganz mit der historischen Wahrheit korreliert. Ein Nationalfeiertag, wo sich die Nation fragen muß: „Wos wor mei Leistung?“ ist halt auch nicht so ganz das Wahre.
Dann gäbe es noch den 1.Mai. Der ist schon seit 1919 ein staatlicher Feiertag in Österreich — und war sogar mal sowas wie ein Nationalfeiertag. Weil ihn die Austrofaschisten 1934 zum Tag der Proklamation der Verfassung des Ständestaats gemacht haben. Also historisch auch nicht so prickelnd. Schlimm genug, daß er im offziellen Kalender immer noch als „Staatsfeiertag“ vermerkt ist.
Bliebe der 12.November, also jener Tag vor 100 Jahren, an dem die Republik ausgerufen worden ist. Das war ja — ebenfalls seit 1919 — der eigentliche Nationalfeiertag. Aber selbst der Tag ist ein bissi seltsam. Weil diese Ausrufung erst passiert ist, nachdem Kaiser Karl selbst seine Abdankung erklärt hatte — also weil einem nix anderes übriggeblieben ist, als eine neue Staatsform zu deklarieren. Abgesehen davon hat man an diesem 12.November die Republik Deutsch-Österreich als Teil des Deutschen Reiches ausgerufen — ist beim heutigen Staatsverständnis auch nicht so ganz passend.
Also wenn wir schon ein Brimborium brauchen, wo sich die eher zufällig zustandegekommene Verwaltungseinheit zwischen Boden- und Neusiedlersee zelebriert, dann sollten wir den 30.Oktober nehmen. Denn an diesem Tag des Jahres 1918 beschloß die Provisorische Nationalversammlung in einem tatsächlich revolutionären Akt, daß sie alleine die Regierung zu bestimmen habe und damit der Kaiser einfach zu ignorieren sei — und dessen alte Regierung Lammasch ab sofort genau nix mehr zu sagen habe. Aber was vielleicht noch wichtiger ist, man beschloß am selben Tag auch die Aufhebung jeglicher Zensur sowie aller Einschränkungen des Vereins- und Versammlungsrechts — ohne das ganze Pipapo á la „Näheres bestimmt die Polizei“, was dann später dazukam. Und im Gegensatz zu so ziemlich allen, was damals in diesen ersten revolutionären Parlamentssitzungen beschlossen worden ist, ist dieses Verfassungsgesetz bis heute gültig.
Aber so ist das halt in Österreich — allzu laut will man es nicht feiern, daß man den Kaiser selbst abgesetzt hat. Da sei der Tourismusverband vor! Und die Durchsetzung bürgerlicher Freiheiten ist anscheinend auch nicht so bedeutend in diesem Land. Nein, wir feiern lieber am 26.Oktober, daß wir 1955 diese ganzen Ausländer, die sich hier wichtiggemacht hatten, endlich losgeworden sind. Ist ja auch irgendwie passender für eine nationale Aufwallung. Und der militärische Aufmarsch ist da auch stimmiger.
Bernhard Redl