Zumutung Deutschförderklassen in Corona-Zeiten

Offener Brief
An den Wissenschaftsminister der Republik Österreich

Wien, 19. Mai 2020

Betrifft: Prüfungen in Deutschförderklassen

Sehr geehrter Herr Dr. Faßmann,

fassungslos nehme ich zur Kenntnis, dass Sie den Benachteiligsten aller Schulkinder nicht dieselben Rechte zukommen lassen wie denjenigen, die eine Lobby haben.

Niemand soll im Schuljahr 2019/20 durchfallen. Es gibt keine Schularbeiten mehr. Die Semesternote kann als Zeugnisnote herangezogen werden. Maturantinnen und Maturanten müssen nur in drei Fächern schriftlich maturieren und können, so sie sich die Note verbessern wollen, zu einer mündlichen Prüfung antreten.

Sie erleichtern, bis auf einer Gruppe, allen das Schulleben in diesem Corona-Ausnahmejahr, was durchaus zu befürworten ist.

Warum solche Handlungen setzen? Müssen Sie wirklich die Schwächsten im System so stark benachteiligen?

Kinder in sogenannten und von Ihnen erfundenen “Deutschförderklassen“ hatten seit dem Shutdown überhaupt keine Betreuung. Sie leben in Kleinstwohnungen, haben kein Internet, keinen Computer oder Laptop. Ihre Eltern sprechen oft nicht gut genug Deutsch, um sich wehren zu können. Sie sind auch außerstande „homeschooling“ mit ihren Kindern zu machen. Diese Schwächsten der Schwächsten wurden von Ihnen und Ihrem Ministerium zwei Monate lang überhaupt nicht berücksichtigt. Sie wurden mit ihren Problemen einfach alleine gelassen. Je mehr Schülerinnen und Schüler keinen Pflichtschulabschluss haben, desto mehr wird sich das auf deren weiteren Lebensweg auswirken. Sie werden keine Arbeit finden und werden zu Sozialfällen. All das wissen Sie genau!! Das alles bereitet Ihnen offenbar keine schlaflosen Nächte.

Die sogenannten „Deutschförderklassen“ sind ja an sich schon eine Zumutung. Als Wissenschaftsminister wissen Sie genau, bzw. sollten Sie eigentlich wissen, dass Kinder am besten mit und von Gleichaltrigen lernen. In einer Regelklasse würden sie viel schneller Deutsch lernen als in Ihren „Deutschförderklassen“, abgesondert von den anderen. Aber genau diese Kinder müssen im Gegensatz zu allen anderen Schulkindern eine Deutschprüfung absolvieren. So sie diese nicht schaffen, sitzen sie im kommenden Schuljahr wieder in einer „Deutschförderklasse“. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Dafür hätte ich gerne eine Erklärung.

Das, was Sie diesen Kindern antun, ist alles andere als human.

Für mich versteht es sich auch von selbst, dass auch diesen stark benachteiligten Kindern in Regelklassen extra Deutschförderunterricht zusteht.

Dass der Prüfungstermin für die Schülerinnen und Schüler in Deutschförderklassen jetzt auf Herbst verschoben wurde, ändert nichts an der Ungerechtigkeit. Diese Kinder hatten dann wieder neun Wochen keinerlei Förderung. Dieser Prüfungszwang gehört einfach aufgehoben!

Wie wir alle wissen, scheitern auch Kinder mit deutscher Muttersprache oft an deutschen Angaben, wie zum Beispiel in Mathematik. Da wird sofort gehandelt und angeordnet, dass die Textangaben vereinfacht werden müssen.

Alle Kinder, die in diesem Land leben, müssen dieselben Chancen haben!!!! Das ist Gerechtigkeit!

Ich schreibe Ihnen als ehemalige AHS-Lehrerin und schätze mich glücklich, in Pension zu sein und in türkisen Zeiten nicht mehr arbeiten zu müssen. Ich gehe nicht davon aus, dass ausgerechnet ich Sie umstimmen werde, aber gesagt muss es werden.

Eine Antwort, die auf das hier Gesagte eingeht, wäre wünschenswert.

Mit fassungslosen Grüßen,

Mag.a Ruth Steindling

 

Folgende Personen schließen sich namentlich und vollinhaltlich diesem Schreiben an:

Renate Sassmann, Pensionistin

Mag.a Dorothea Schaffernicht, AHS-Lehrerin i.R.

Mag. Kurt Winterstein, AHS-Lehrer i. R.

Dr. Jeannette Mayrhofer-Berger, Kinderärztin und Psychotherapeutin

Uli Makomaski, Pensionistin

Susanne Zwach, Pensionistin

Lili Kolisch, Psychotherapeutin

Mag.a Andrea Haslinger, Erwachsenenbildnerin, Bildungsberaterin

Albert Dlabaja, Pensionist, KZ-Verband NÖ, KZ-Vereinigung Buchenwald
Friederike Mikosch, Pensionistin

Uschi Margulies, Pensionistin

Fritz Zapf, Pensionist

Peter Grusch, Pensionist

Elisabeth Jena, Pensionistin

Ing. Leopold Buchner

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