[aus akin 12/2021]
Wenn der deutsche Automobilclub ADAC sich um etwas Sorgen macht, ist mir das als Radlfahrer üblicherweise bestenfalls egal. Oder ich reg mich wiedermal fürchterlich auf über die Autolobby. Im Fall der Aussendung, die mir aber da neulich über den Bildschirm huschte, wäre das eher ein Thema für Umwelt-NGOs oder die Grünen gewesen: Die Autos werden immer breiter! Ein VW Golf ist heute breiter als eine Luxuslimousine in den 1970ern, von den SUVs gar nicht zu reden.
Gut, der ADAC hat hauptsächlich deswegen ein Problem damit, weil viele moderne Autos nicht mehr in deutsche Garagen passen, die fünfzig Jahre oder älter sind – nona, ist ja der ADAC.
Aber diese PKW-Adipositas hat ja auch andere Folgen, denn auch die Straßen können nicht so ohne weiteres breiter werden, vor allem nicht die in der Stadt. Und das betrifft mich dann eben schon als Radfahrer, denn mir kommt da ein Verdacht…
Ganz generell muß man ja sagen, daß allein die Tatsache, daß es die SPÖ war, die in Wien in den 1980ern mit dem Radweg“bau“ begonnen hat, einem klarmachen muß, daß Radwege nicht dazu da sind, das Radfahren zu attraktivieren, sondern um die Fahrbahn zur reinen MIV-Fahrbahn zu machen. Der „motorisierte Individualverkehr“ sollte einfach nicht behindert werden. Die hiesigen Umwelt- und Fahrrad-NGOs haben das bis heute nicht kapiert – mit Ausnahme des VCÖ. Daß aber jetzt geradezu ein Boom an „Fahrradanlagen“ passiert, kann schon etwas damit zu tun haben, daß der Platz für die Autos immer enger wird – und das nicht gar so sehr, weil Stadtverwaltungen verkehrsberuhigende Maßnahmen setzen. Das sind (weltweit, aber speziell in Wien) doch nur ein paar
Vorzeigeprojekte und das meistens in Touristengegenden und Einkaufsstraßen. Es liegt wohl auch nicht an den Straßenmalereien, die man Radwege nennt, weil die gehen immer noch hauptächlich zu Lasten derjenigen, die zu Fuß unterwegs sind. Es wird für den Autoverkehr enger, weil die Zahl der PKW immer noch ansteigt – in Wien durchschnittlich um 5000 Stück mehr pro Jahr – und weil diese Karren halt eben auch mehr Fahrbahnbreite beanspruchen. Das macht dann halt keinen Spaß mehr, wenn es sich nicht mehr ausgeht, einen Radfahrer zu überholen. Und dann fühlen sich die Autofahrer schlecht und das will ja keiner. Also pinselt man noch mehr Radwege auf die Gehsteige und alle sind zufrieden. Oder so.
Autofahrer fühlen sich allerdings heutzutage noch aus einem anderen Grund schlecht – weil sie sich vorhalten lassen müssen, Klimavergifter zu sein. Da hat man jetzt endlich überall Katalysatoren in den Autos und fährt bleifrei, aber man muß sich immer noch anhören, eine Umweltsau zu sein. Aber da kann man ja was machen, dafür gibts ja die Grünen und ihre Greta. Jetzt wird nämlich alles elektrisch und dann ist wieder alles in Ordnung. Okay, menschenwürdiger Lebensraum wird die Stadt dadurch nicht und Platz ist auch keiner und es werden wohl kaum weniger Radfahrer und Fußgänger von den Kraxen niedergeschoben werden, aber dafür ist alles klimafreundlicher. Oder so. Weil Klimaschutz = Umweltministerium + Elektrifizierung. Und der Strom, den wir ja jetzt auch zum Heizen verwenden sollen, kommt ganz umweltfreundlich aus der Steckdose. Nein, natürlich nicht, aus umweltfreundlicher Wasserkraft wie zum Beispiel aus Hainburg, ah, nein, das ist ja aus Umweltschutzgründen nicht gebaut worden. Oder aus Zwentendorf? Nein, auch nicht. Egal, wir pflastern alles zu mit Solaranlagen, das geht sich schon aus. Und für die Akkus aus seltenen Rohstoffen wird man bald auch noch was erfinden, die züchten wir demnächst in Plantagen, die wir mit Biomüll düngen, selbstverständlich nicht in Schwellenländern, sondern regional und biologisch abbaubar.
Ja, ich bin polemisch. Aber letztendlich stellt sich heraus, daß ausgerechnet diejenigen, die den privaten Autoverkehr und die Industrielobby immer kritisiert haben, zu nicht unerheblichen Teilen jetzt der Meinung sind, sie müßten der Initiative „Rettet das Auto!“ beitreten. Gegen Projekte wie den Lobautunnel kann man dann auch gar nichts mehr einwenden, weil der ist ja dann klimafreundlich und nur das zählt!
Wenn sich jetzt noch das selbstfahrende Auto durchsetzt, dann sind die Autofahrer nicht einmal mehr an den Verkehrstoten schuld. Dann fühlen sie sich wohl und ihr Gewissen ist nicht nur sauber, sondern rein. Weil dann wars ja der Blechtrottel.
Und schließlich: Gehts den Autofahrern und der Industrielobby gut, gehts uns allen gut.
Bernhard Redl