Herbert Thalhammer 1955-2022

Ein Leben für das Gemeinwesen

Am Sonntag, den 6. Februar verstarb der ehemalige Vorarlberger Landtagsabgeordete der Alternativen Liste (AL) Herbert Thalhammer.

In den 1980er-Jahren war Herbert Thalhammer eine historische Persönlichkeit, die in Vorarlberg nachhaltige Spuren hinterlassen hat und auch wenn es später vielleicht in der Öffentlichkeit stiller um ihn geworden ist, ist er ein politischer Mensch geblieben.

Herbert Thalhammer war nicht nur Lehrergewerkschafter und Mitbegründer der grünen Gemeindeliste ”Feldkirch blüht“, sondern auch Landtagsabgeordneter jenes Listenverbundes aus den bürgerlich bis rechtslastigen ”Vereinten Grünen Österreichs“ und der politisch sehr heterogenen ”Alternativen Liste“ (AL), die in Vorarlberg erstmals in Österreich überhaupt den Einzug in einen Landtag schafften und damit am Beginn der späteren Grünen stehen sollte. Dabei war er zwar einer der Gründer und aktivsten Köpfe der Alternativen Liste aber nicht einer der allerersten Abgeordneten, die 1984 in den Vorarlberger Landtag einzogen. Herbert Thalhammer rückte erst im Oktober 1987 für Sigi Peter, nach dessen Mandatsverzicht in den Landtag nach. Damals herrschte in der Alternative Liste ja noch das Rotationsprinzip und die Idee einer basisdemokratischen Partei. Nur hatte die AL bereits damals bundesweit an Bedeutung verloren. Jene Grünen, die 1986 den Einzug in den Nationalrat geschafft hatten, hatten nur noch Teile der alten AL an Bord und auch die vier Landtagsabgeordneten in Vorarlberg hatten sich bald überworfen. Zwei der vier Abgeordneten gehörten ohnehin den konservativ bis rechtsökologisch ausgerichteten Vereinten Grünen an, die bei den folgenden Landtagswahlen 1989 knapp an der 5%-Hürde scheitern sollten. Aber auch innerhalb der beiden Abgeordneten der Alternativen Liste gab es Reibungen. Während sich der ebenfalls aus der AL stammende, aber in vielerlei Hinsicht wertkonservative Kaspanaze Simma auf Umweltschutz und Landwirtschaft konzentrierte und 1989 dann auch mit den VGÖ gemeinsam kandidierte, stellte Herbert Thalhammer von 1987 bis 1989 im Vorarlberger Landtag so etwas wie einen links-alternativer Einzelkämpfer dar.

In den späten 1980er-Jahren war er damit im konservativen Vorarlberg eine wirkliche Ausnahmeerscheinung. Wie kein zweiter im damaligen Landtag trug er damit zu einer Modernisierung und Pluralisierung des politischen Diskurses bei. Dabei deckte er als Einzelkämpfer eine unglaubliche Bandbreite an Themen ab. In den Landtagsprotokollen finden sich selbstständige Anträge zur Herausgabe des Armutsberichtes ebenso, wie ein Antrag für die Errichtung eines Denkmals für den antifaschistischen Widerstand in Vorarlberg, für Grünzonenpläne durch eine Umwidmungssperre, ein Mindestlohngesetz, zum Verkehrskonzept und zur Reduzierung des motorisierten Verkehrs, zum ”Wahlrecht für Arbeitseinwanderer“, zum Ausbau von Radwegen oder zum Luftreinhaltegesetz.

Wirklich neu an seiner Politik war, dass er diese für und mit allen im Ländle lebenden Menschen machen wollte und nicht nur für die StaatsbürgerInnen. Er knüpfte jene Kontakte zu MigrantInnen und ExilantInnen aus der Türkei, die später dazu führten, dass mit Ali Gedik der erste türkeistämmige Kurde überhaupt jemals – wenn auch aufgrund der folgenden Medienkampagne nur kurzfristig – auf einer Kandidatenliste auftauchte.

Die damaligen Aktivisten aus der Türkei können sich bis heute an seinen solidarischen Umgang mit ihnen auf Augenhöhe erinnern. Im September 1988 forderte er als erster Landtagsabgeordneter gemeinsam mit dem damaligen KPÖ-Chef Brandner und dem linken türkisch-kurdischen ”Werktätigenbund“ in einer Kampagne das ”Wahlrecht für Gastarbeiter“. Unterstützung kam auch für deren Kampf gegen türkische Rechtsextreme und die Politik des türkischen Generalkonsulats. Dieses hatte nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 weiterhin die Rolle übernommen auch kurdische und linke AktivistInnen mit Türkei-Bezug in Vorarlberg auszuspionieren.

Auffällig war dabei, dass in mehreren Fällen auch österreichische Behörden fast wortident mit dem türkischen Konsulat linke AktivistInnen befragten, was bei den AktivistInnen den Verdacht nahelegte, dass es eine direkte Zusammenarbeit der Vorarlberger Behörden mit dem türkischen Generalkonsulat gegen türkeistämmige Oppositionelle in Vorarlberg gäbe. Zudem war es zeitgleich zu einer Reihe von Kündigungen politisch aktiver Kurden und linker Türken durch namhafte Vorarlberger Betriebe wie Blum, Rhomberg oder Zumtobel gekommen. Es war Herbert Thalhammer, der gemeinsam mit den betroffenen kurdischen und türkischen AktivistInnen die Vorfälle sammelte und diese im Gösserbräu in Bregenz der Öffentlichkeit vorstellte. Aus Angst vor Repressalien traten einige der Referenten damals sogar vermummt auf. Herbert Thalhammer verstand es als Abgeordneter sein Mandat zu nutzen hier auch jenen eine Öffentlichkeit zu verschaffen, die zuvor keine hatten.

1989 schied er wieder aus dem Landtag aus, unterstütze mit seiner politischen Erfahrung aber weiterhin nicht nur migrantische Initiativen, sondern auch uns damalige Jugendliche beim Aufbau unabhängiger linker Jugendgruppen. Sowohl unsere öko-anarchistische ”Jugendinitiative Pangea“ als auch die 1993 gegründete Grünalternative Jugend, die erste Jugendorganisation der Grünen, hatten in ihm einen älteren Freund, der uns Jugendliche aber immer auf Augenhöhe begegnete und ernst nahm.

1991 brach er zu einer langen Reise nach Indien auf, der der er stark spirituell beeinflusst zurückkehrte. Wie die Beatles vor ihm, war er dort in den Bannkreis der Transzendentalen Meditation geraten und träumte seither davon, den Weltfrieden weniger durch politische Kämpfe, als durch Yoga und Meditation zu erreichen. Politisch schlug sich diese Hinwendung zur Spiritualität in der Mitbegründung einer weiteren Partei, der ”Naturgesetzpartei“ und einer erfolglosen Kandidatur unter dem Namen ”Lüt für Feldkirch – Naturgesetzpartei“ bei den Feldkircher Gemeinderatswahlen 2000 nieder.

Wenn es um seine Herzensanliegen ging, war er aber auch jetzt immer auf der Suche nach Verbündeten ohne diese zu vereinnahmen. Bereits von Wien aus konnte ich immer wieder beobachten, wie Herbert Thalhammer gemeinsam mit den nächsten Generationen der Grünalternativen Jugend für den Erhalt des Reichenfeldes als Naherholungsraum oder sich gegen sinnlose Straßenbauprojekte engagierte.

Auch bei seiner beruflichen Rückkehr in den Lehrerberuf blieb er politisch. Ich konnte es noch bei unserer Nichte und unserem Neffen, Natalie und Alex erleben, die eben erst aus Mexiko gekomen waren, wie er sich um Kinder kümmerte, die sich noch etwas schwer mit der Deutschen Sprache taten. Viele Kinder und Jugendliche haben seinem persönlichen Einsatz ihren Schulerfolg, allerdings auch ihr Interesse für Politik und Gesellschaft zu verdanken.

Sein Einsatz für Chancengleichheit setzte sich hier und in seinem Engagement für Flüchtlinge auf einer ganz praktischen Ebene fort. Im Oktober 2020 schaffte er es noch zwischen den Corona-Lockdowns eine Diskussionsveranstaltung für seine SchülerInnen der dritten Klassen in der Mittelschule in Bludenz zu organisieren, bei der PolitikerInnen den Jugendlichen Rede und Antwort stehen mussten.

Vorarlberg verliert mit Herbert Thalhammer nicht nur einen Pionier der Grünbewegung, sondern auch einen solidarischen Zeitgenossen, der auf seinem Lebensweg sehr unterschiedliche Menschen, und unsere Landespolitik, geprägt hatte. Sein Einsatz für Natur- und Umweltschutz, für Frieden, ein solidarisches Miteinander und ein weltoffenes Vorarlberg, sollen uns Hinterbliebenen Auftrag für die Zukunft bleiben.

Thomas Schmidinger

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