Wenn Beamte jemanden vor einer nicht vorhandenen Gefahr retten, kann das teuer werden.
„Klebe-Chaoten bezahlen Polizei-Rechnungen nicht“ titelte die Kronen-Zeitung (Online-Ausgabe) am 4.11.. Nur: Seit wann stellt die Polizei Rechnungen aus? Die diesbezügliche Passage im Sicherheitspolizeigesetz ist relativ neu, trat sie doch erst mit der Novelle 2018 in Kraft. Seither heißt es in §92a: „… (1a) Wer ein Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes verursacht, weil er … 2. sich zumindest grob fahrlässig … einer Gefahr für Leben oder Gesundheit ausgesetzt hat, hat als Ersatz der Aufwendungen des Bundes einen Pauschalbetrag … abhängig von den eingesetzten Mitteln … zu leisten.“
Aber was hat das mit politischen Aktivisten der „Letzten Generation“ zu tun, die Straßen blockieren? Nun, man argumentiert seitens der Polizei, die Aktivisten hätten sich dadurch „zumindest grob fahrlässig“ selbst gefährdet, weil sie sich den Autofahrern ausgesetzt hätten. Deswegen hätte es in einem Fall des Einsatzes von 55 (!) Beamten bedurft, um die auf der Straße Festgeklebten „zu retten“. Macht 7000 Euro, die die Belangten anteilig bezahlen sollen. Und derlei Rechnungen werden nach Auskunft des Anwalts der „Letzten Generation“ jetzt jedesmal bei Straßenblockaden gestellt. Darauf bezieht sich auch dieses „Nicht-bezahlen-wollen“, wie das die Krone nennt: Das Wiener Landesverwaltungsgericht wird irgendwann über diesbezügliche Beschwerden des Anwalts entscheiden müssen.
Offensichtlich hat die Polizei da jetzt eine Bestimmung entdeckt, mit der sie Protestaktionen verteuern kann, weil die üblichen Verwaltungsstrafen als Abschreckungsmethode nicht ausreichen. Das erinnert an die Zivilklagen, die Anfang der 90er Baustellenbesetzungen abrupt beendeten. Jetzt also eine administrative Kostenersatzpflicht. Erstmals öffentlich bekannt wurde eine kreative Anwendung dieses Paragraphen aber in einem anderen Zusammenhang: Dem „Vorsänger“ einer Gruppe von Rapid-Fans wurde eine Rechnung gestellt, weil diese am 1.März 2020 einen Gedenkmarsch zum Grab des damals kürzlich verstorbenen Alfred Körner, einer Rapid- und Wunderteam-Legende, veranstaltet hatten. Da wurde nicht einmal erklärt, worin denn diese Selbstgefährdung bestünde. Mit Corona kann es nichts zu tun haben, denn zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine öffentlichen Beschränkungen wegen der Pandemie.
In beiden Fällen ist die Anwendung dieses Paragraphen aber zumindest kreativ zu nennen, denn in der „Wirtschaftlichen Folgeabschätzung“ des (damals von Herbert Kickl geführten) Innenministeriums zur Novelle von 2018 heißt es, die Bestimmung ziele auf Leute ab, die sich „durch übermäßigen Leichtsinn oder durch Überschreiten der sonst, etwa bei der Sportausübung, üblichen Risikobereitschaft, einer Gefahr für Leben oder Gesundheit ausgesetzt“ hätten. Da an dieser Stelle vor allem auf die enormen Kosten von Hubschraubereinsätzen hingewiesen wird, ist klar, daß damit bspw. unerfahrene Halbschuhbergsteiger gemeint sind.
Da aber auch der Rapid-Fall nach zweieinhalb Jahren immer noch in der Instanz hängt, scheint die Wiener Polizei zu glauben, sie könne diesen Paragraphen jetzt für alles zur Anwendung bringen, was ihr gerade so in den Sinn kommt. Solange aber keine gerichtlichen Entscheidungen vorliegen (möglicherweise müssen auch die Höchstgerichte bemüht werden), erzeugt das bei den Belangten eine erhebliche Unsicherheit. Und das ist ja wohl auch der Zweck der Übung.
Bernhard Redl